Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
erklärte ihr sein Anliegen. »Ihr habt doch manchmal die vorherige Adresse von Leuten, die in Bremen wohnen oder gewohnt haben. Kannst du mir sagen, ob Gramser die ganze Zeit in Bremen gewohnt hat?« Er nannte ihr die genauen Daten des Detektivs.
»Warte, ich schau mal nach, ob ich was finde. Das kann aber ein bisschen dauern. Ich rufe dich dann zurück, okay?«
Lobinski legte auf, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lockerte seine verkrampfte Nackenmuskulatur. Gleich nach dem Rückruf von Karin würde er nach Hause fahren und sich mit ein paar Aspirin ins Bett hauen, schwor er sich, während er sehnsüchtig darauf wartete, dass sein Telefon klingelte.
Als es endlich soweit war, ging er sofort dran.
»Hast du was?«, erkundigte er sich neugierig.
Karin lachte. »Allerdings, aber ich musste ein bisschen suchen, und es war auch eher Zufall, dass ich etwas gefunden habe. Dafür schuldest du mir ein Abendessen.«
»Ist gebongt. Dann leg mal los!«
»Also, dein Kollege hat in der Zeit, um die es dir ging, nicht in Bremen gewohnt, sondern war in der französischsprachigen Schweiz gemeldet, in einem Ort namens Savigny. Warte, ich buchstabiere dir das.«
Ein paar Minuten später sah Lobinski im Internet nach, wo genau in der Schweiz Gramser die beiden Jahre verbracht hatte, die in seinem Lebenslauf fehlten. Er war immer wieder begeistert davon, wie leicht manche Arbeiten durch das Netz zu erledigen waren, für die er früher Tage gebraucht hatte und so manche Rennerei in Kauf nehmen musste.
Als die Karte auf dem Monitor erschien, pfiff er leise durch die Zähne.
Savigny lag gerade einmal zehn Kilometer von Lausanne entfernt.
*
Fenja stand im Hynsteblom am Schaufenster und warf einen skeptischen Blick in den dunklen Himmel. »Das gefällt mir gar nicht«, murmelte sie nachdenklich. »Das Wetter wird immer schlechter statt besser. Es würde mich nicht wundern, wenn es irgendwann heute oder morgen noch eine Sturmflutwarnung gäbe.«
»Hoffentlich nicht!« Carolin sah sie erschreckt an. »Beim letzten Mal habe ich mir vor Angst fast in die Hose gemacht. Das war die erste Sturmflut überhaupt, die ich mitgemacht habe. Ich saß allein in meiner Wohnung und dachte, das ganze Haus würde wegfliegen. Wenn so etwas noch mal vorkommt, verschwinde ich vorher von der Insel. Oder ich bleibe die ganze Zeit bei dir im Laden.«
Fenja lachte. »Meinetwegen gern.«
Suna hörte den beiden interessiert zu. Da sie und Fenja erst zu Marks Pflegebruder Jonas gehen wollten, nachdem das Hynsteblom geschlossen hatte, vertrieb sie sich die Zeit damit, ein wenig im Laden zu helfen. Gerade sortierte sie die T-Shirts mit den aufgemalten Sylt-Motiven der Größe nach, als die Ladentür sich öffnete. Sofort fegte eine feuchtkalte Windböe in den Laden und ließ die Seidentücher neben ihr wild flattern.
Neugierig musterte Suna den Mann, der eingetreten war. Er war recht groß, knapp einsneunzig schätzte sie, etwa so alt wie sie und hatte blonde, kurz geschnittene Haare und ein sympathisch wirkendes Gesicht. Außerdem trug er dezente, aber sehr teure Kleidung. Suna fragte sich, ob es normal war, so etwas gleich zu bemerken. Sie lächelte. Das war wahrscheinlich eine Art Berufskrankheit.
Da sie direkt an der Tür stand, wandte sich der Mann zuerst an sie.
»Guten Tag, mein Name ist Daniel Lemarchant«, stellte er sich vor.
Suna wunderte sich etwas darüber. Normalerweise nannten die Leute nicht gleich ihren Namen, wenn sie in einen Laden kamen. Als der Mann jedoch weitersprach, wurde ihr klar, warum er das Gespräch auf diese Weise begonnen hatte.
»Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder, der seit einiger Zeit verschwunden ist«, berichtete er in neutralem Tonfall. »Er soll vor Kurzem hier auf Sylt gewesen sein. Haben Sie ihn vielleicht gesehen?«
Suna verkniff sich ein Grinsen. Der Mann machte einen sehr netten Eindruck, aber sein Schweizerdeutsch mit französischem Akzent klang für sie sehr merkwürdig. Sie beugte sich zu ihm hin und warf einen kurzen Blick auf das Bild, das er in der Hand hielt, schüttelte dann aber den Kopf. »Tut mir leid, aber da bin ich wohl nicht die richtige Ansprechpartnerin. Ich bin selbst erst seit ein paar Tagen hier auf der Insel.«
»Kann ich mal sehen?« Carolin war neugierig ein paar Schritte nähergetreten. Sie musterte das Foto eingehend. »Nee, ich fürchte, da kann ich auch nicht weiterhelfen«, meinte sie schließlich. Sie nahm dem Mann wortlos das Bild aus der Hand und hielt es ihrer
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