Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
angerufen«, erklärte Fenja. »Da geht niemand dran, obwohl ich es ewig habe klingeln lassen. Und auf dem Handy habe ich es auch schon versucht. Es ist ausgeschaltet.«
Suna runzelte die Stirn. »Hast du ihr eine Nachricht hinterlassen?«
»Natürlich. Aber sie hat nicht zurückgerufen«, antwortete Fenja kläglich. »Ich mache mir langsam wirklich Sorgen um sie. »Was ist, wenn ihr etwas passiert ist?«
»Du hast doch bestimmt einen Schlüssel für ihr Apartment, oder?«, wollte Suna wissen. Als ihre Auftraggeberin nickte, fuhr sie fort: »Dann schlage ich vor, du gehst jetzt rüber in ihre Wohnung und siehst da nach, ob sie vielleicht gestürzt ist oder einfach krank im Bett liegt. Ich bleibe solange hier und kümmere mich um den Laden. Und wenn du wieder zurück bist, überlegen wir gemeinsam, was wir wegen Kristian unternehmen können.«
»Ist gut.« Fenja nickte. Sie schien erleichtert zu sein, endlich etwas tun zu können. Sie holte ihre Jacke aus dem Hinterzimmer, setzte eine dicke Mütze auf und ging in Richtung Tür. Als sie den Türgriff schon in der Hand hatte, drehte sie sich noch einmal zu Suna um. »Und was mache ich, wenn ich Caro nicht in ihrer Wohnung finde?«
Suna sah sie nachdenklich an. »Dann sollten wir hoffen, dass nicht nur sie, sondern auch ihre Sachen nicht mehr da sind. Das hieße nämlich, dass sie freiwillig verschwunden ist.«
*
Nervös lief Fenja wenig später die Treppe zu Carolins Ein-Zimmer-Apartment hinauf. Die Wohnung lag direkt unter dem Dach eines Mehrfamilienhauses am Ortsrand von Westerland.
Nachdem sie bei dem Haus angekommen war, hatte sie natürlich erst einmal geklingelt. In einer Mischung aus Hoffnung und Angst hatte sie gewartet, dass Carolin die Tür öffnen oder sich wenigstens über die Sprechanlage melden würde. Aber auch nach mehreren Versuchen war alles still geblieben. Also hatte Fenja mit Carolins Ersatzschlüssel, den sie ihr für Notfälle gegeben hatte, die Tür aufgeschlossen.
Als sie das oberste Stockwerk erreichte, hielt sie sich gar nicht erst damit auf, zu klingeln oder zu klopfen. Mit zitternden Fingern steckte sie den Schlüssel ins Türschloss und drehte ihn herum.
»Caro?«, rief Fenja vorsichtig, nachdem sie die Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte. »Caro, bist du da?«
Keine Antwort.
Mit einem mulmigen Gefühl drückte Fenja die Tür ganz auf und betrat die Wohnung. Sie war schon ein paar Mal hier gewesen, trotzdem wunderte sie sich immer wieder darüber, wie klein der Raum war. Es passten gerade so eine Schlafcouch, ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, ein Schrank und eine Miniküche hinein.
Andererseits, dachte Fenja, war gerade das wahrscheinlich Carolins Glück. Wäre die Wohnung größer gewesen, hätte der Vermieter sie vermutlich längst in ein viel lukrativeres Ferienapartment umgewandelt, und dann hätte Carolin sehen können, wo sie blieb. Bezahlbarer Wohnraum war auf der Insel absolute Mangelware.
Rasch sah Fenja sich im Zimmer um. Wie immer war alles sauber und ordentlich. Das Bettzeug war im Bettkasten der Schlafcouch verstaut und in der Küche stand eine Schale mit frischem Obst. Fenja öffnete eine der Türen des Kleiderschranks. Soweit sie erkennen konnte, fehlte nichts. Sie schüttelte den Kopf. Es sah nicht danach aus, als hätte Carolin geplant, für längere Zeit wegzufahren.
An einer Seite des Raums führte eine schmale Tür ins Bad. Bevor Fenja die Tür öffnete, kam ihr ein hässliches Bild in den Sinn. Was war, wenn ihre Freundin in der Dusche ausgerutscht und mit dem Kopf aufgeschlagen war? Man hörte doch immer wieder von Leuten, die wochenlang tot in ihrer Wohnung lagen.
Nein! , dachte Fenja energisch und schob den Gedanken beiseite. Sie atmete einmal tief durch und drückte die Türklinke herunter. Das Bad war genauso ordentlich wie der Rest der Wohnung – und genauso leer.
Es brachte nichts. Hier kam sie nicht weiter.
Bevor Fenja die Wohnung ihrer Freundin wieder verließ, fiel ihr Blick auf den Garderobenhaken neben der Tür. Carolins brauner Daunenmantel, den sie im Winter meistens trug, fehlte, und auch ihre Lieblingsstiefel mit dem Lammfellfutter standen nicht an ihrem Platz. Alles sah danach aus, als wäre sie ganz normal zum Arbeiten gegangen. Nur dass sie dort nicht angekommen war.
»Verdammt, Caro«, murmelte Fenja leise. »Wo steckst du nur?«
*
»Noch eine Tasse Tee für Sie?«
Die Bedienung des kleinen Cafés, in dem Lobinski seit geraumer Zeit saß und das Gebäude schräg gegenüber
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