Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Lobinski. Er versuchte, einen möglichst seriösen Gesichtsausdruck aufzusetzen. »Ich müsste dringend mit Ihnen reden.«
»Das ist jetzt ganz ungünstig«, wehrte der Mann ab und wandte sich wieder zum Gehen. Doch Lobinski wollte nicht so schnell klein beigeben.
»Bitte, es ist wirklich wichtig. Es geht um Ihr vermisstes Kind.« Es war ein Schuss ins Blaue, eine einfache Vermutung. Lobinski hatte genug Berufserfahrung, um zu wissen, dass ein Paar, das sich so benahm wie die beiden, meistens in großer Sorge um das wichtigste war, was sie im Leben hatten. Und das waren nun einmal die Kinder. Und da sie eine Detektei aufgesucht hatten, lag es nahe, dass es sich um einen Vermisstenfall handelte. Die Reaktion des Mannes sagte ihm, dass er einen Volltreffer gelandet hatte, denn er riss erstaunt die Augen auf.
»Was – was wissen Sie darüber?«
»Eigentlich nichts«, gab Lobinski zu. Auch wenn er so viel wie möglich über Gramser herausfinden wollte, war das noch lange kein Grund, den beiden falsche Hoffnungen zu machen. Eine kleine Notlüge dagegen tat niemandem weh und schaffte ein Gefühl der Identifikation. »Mein Name ist Peter Lobinski. Ich bin Privatdetektiv aus Hamburg und arbeite ebenfalls für ein Elternpaar, das seinen vermissten Sohn sucht. Geht es bei Ihnen auch um Ihren Sohn?«
Die beiden wechselten einen kurzen Blick, dann nickte die Frau ihrem Mann beinahe unmerklich zu.
»Unsere Tochter, Melanie«, erwiderte sie gepresst. »Sie ist erst siebzehn.« Sie schluchzte laut auf und schlug beide Hände vor das Gesicht.
»Bitte entschuldigen Sie, wir haben gerade eine niederschmetternde Nachricht bekommen«, erklärte der Mann. »Mein Name ist übrigens Klaus Niemeyer, und das ist meine Frau Brigitte.« Er reichte Lobinski die Hand.
Der nickte verständnisvoll. »Ich habe gesehen, dass Sie gerade aus dem Büro meines Kollegen gekommen sind, Konstantin Gramser. Haben Sie ihn mit der Suche nach Melanie beauftragt?« Als Niemeyer das bestätigte, fuhr der Privatdetektiv fort: »Ihnen mag die Frage vielleicht merkwürdig vorkommen, aber wie sind Sie ausgerechnet auf ihn gekommen?«
Niemeyer blickte ihn etwas verwirrt an. »Das sind wir gar nicht. Er ist auf uns zugekommen. Melanie ist nicht erst seit Kurzem verschwunden, sondern schon seit vier Jahren. Die Polizei kümmert sich nach so langer Zeit natürlich kaum noch um den Fall, deshalb haben wir selbst die Initiative ergriffen und nach ihr gesucht. Wir haben eine Internetseite einrichten lassen, Plakate gedruckt und so weiter. Und irgendwann haben wir dann einen Anruf von Gramser bekommen, dass er bei der Suche nach einem anderen vermissten Jugendlichen zufällig auf sie gestoßen ist. Sie war im letzten Sommer mit einer Gruppe von jungen Leuten hier auf Sylt unterwegs.«
Lobinski lachte freudlos auf. »Lassen Sie mich raten. Sie ist inzwischen ins Ausland gereist, und Gramser hat sie für viel Geld ausfindig gemacht. Aber bevor seine Leute sie nach Deutschland zurückbringen konnten, hat sie das Land schon wieder verlassen und ist jetzt irgendwo weit weg von hier. Und als Beweis, dass es wirklich Melanie ist, hat er Ihnen Fotos von ihr vorgelegt.«
»Woher wissen Sie das?«, stammelte Niemeyer verständnislos.
Lobinski schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Zumindest nicht, solange ich keine Beweise habe. Ich möchte Sie nur um eines bitten: Seien Sie äußerst vorsichtig, was Gramsers Versprechen angeht. Ich fürchte, man kann ihm nicht trauen.«
*
Als Fenja ins Hynsteblom zurückkehrte, sah ihr Suna sofort an, dass sie Carolin nicht gefunden hatte. Sie wirkte niedergeschlagen und ratlos.
Suna bestärkte das nur in ihrem Entschluss. Nachdem Fenja gegangen war, hatte das Telefon des Hynsteblom geklingelt. Suna hatte schon geahnt, was folgen würde, als sie auf dem Display gesehen hatte, dass die Nummer des Anrufers unterdrückt gewesen war. Tatsächlich hatte sich eine Stimme gemeldet, die Suna zwar nicht kannte, die sie aber sofort zuordnen konnte. » Ich komme und hole dich « , hatte sie gesagt. Obwohl Suna wusste, dass es sich um eine einfache Aufzeichnung handeln musste, hatte sie eine Gänsehaut bekommen. Sie hatte sofort aufgelegt. Beinahe ebenso schnell hatte sie entschieden, dass sie Fenja nichts von dem Anruf sagen würde. Ihre Klientin war auch so schon durcheinander genug und viel zu sehr mit dem Verschwinden ihrer besten Freundin beschäftigt.
»Nichts?«, fragte sie nur, als Fenja mit hängenden Schultern
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