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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Tauer
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meine Lippen. Zwei, drei Wimpernschläge lang hatte ich auf einmal das Gefühl, ihn schon immer zu kennen; plötzlich war ich vollkommen gelöst.
    Er lächelte, nahm mein Gesicht zwischen seine warmen Hände und küsste mich auf den Mund. Nicht lange, einen Atemzug lang vielleicht; es war schön, und ja – ich hielt auch jetzt noch still.
    Als sein Mund sich von meinen Lippen löste, sahen wir uns an. Lange. Bis draußen, an der Rezeption, das Telefon läutete und Frau Busch einen Patienten begrüßte. Von einem Augenblick auf den anderen landete ich wieder auf den Fliesen meiner Praxis, verwandelte mich wieder in die, die ich zu sein hatte: in eine Ärztin im Dienst.
    Ich nahm seine Hände und schob sie weg von mir. Ein Patient hatte mich geküsst? Ich trat einen Schritt zurück, sah ihn an und wusste nicht wohin mit mir. Was fiel diesem Mann denn ein? Ich holte Luft, glaubte, etwas Strenges sagen zu müssen, oder wenigstens etwas Energisches. Müsste ich ihm nicht sogar eine Ohrfeige verpassen?
    „Tun Sie das nie wieder“, sagte ich nur. Meine brüchige Stimme erschreckte mich. Ich zog die Tür auf. „Gehen Sie jetzt.“
    Er ging. Ich drückte die Tür hinter ihm zu und lehnte mit dem Rücken dagegen. Völlig durcheinander war ich.
    Es klopfte, Frau Busch – sie reichte das ausgedruckte Rezept herein. Normalerweise unterschreibe ich Rezepte draußen. „Braucht Herr Grals noch einen Termin?“ Ich nickte. Sie musterte mich besorgt. „Ist Ihnen nicht gut, Frau Doktor?“
    „Ich bin müde, brauche nur eine kleine Pause. Schicken Sie den nächsten Patienten bitte erst in zehn Minuten herein.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zog Frau Busch die Tür zu.
    Draußen hörte ich seine Stimme; und hörte Tina rufen: „Tschüss, Schokoladenengel!“

    *

    Am Abend zu Linda. Wohin sonst? Ich erzählte ihr alles, zeigte ihr auch das Bild aus Tinas Matheheft. „Das ich mich so gehen lassen konnte!“ Ich beschimpfte den Paketboten. „Dieser unverschämte Macho! Dass ich mich so vergessen konnte ...!“
    Linda lachte laut. „Du bist ja total verknallt, Greta!“
    „Blödsinn!“
    „Die Symptome sind eindeutig!“ Sie schlug sich auf die Schenkel vor Lachen. „Meine Schwester ist verknallt in einen Paketboten! Ich fasse es nicht!“
    „Du spinnst ja!“ Ich herrschte sie an. „Ich und ‚verknallt’ – so ein Quatsch!“
    Ich sprang auf, begann in ihrem Wohnzimmer auf und ab zu laufen. Ein Chaos aus Gefühlen wühlte mich auf: Wut, Hilflosigkeit, Angst, Sehnsucht.
    „Es ist nur ..., diese Aufdringlichkeit, ja, das ist es. Er hätte doch zu einem anderen Arzt gehen können! Und dann – ich mag diese Art Männer einfach nicht. Verstehst du?“
    „Nein. Von was für einer Art Männern sprichst du?“ Mit spöttischem Blick verfolgte Linda meine hastigen Wanderungen zwischen Terrassentür und Klavier.
    „Ich spreche von Männer, die so eine ...“ Ich stockte und suchte nach treffenden Worten. „ ... von Männern mit so einer aufdringlichen, erotischen Ausstrahlung!“
    „Da haben wir es: verknallt!“ Linda lachte noch lauter. „Und warum hast du ihm dann noch einen Termin gegeben, wenn du solche ‚Männer mit so einer aufdringlichen, erotischen Ausstrahlung’ nicht magst?“ Sie imitierte meinen Tonfall; das ärgerte mich.
    „Weil er krank ist, verdammt noch mal! Er braucht Hilfe, und ich bin Ärztin ...!“
    „... und keine Frau“, ergänzte Linda.
    "Linda, ich bitte dich – ein Paketbote!" Ich wurde richtig laut.
    „Na und?“ Meine jüngere Schwester hatte die Dinge schon immer etwas lockerer gesehen. „Neulich habe ich von einer Umfrage in den USA gelesen – jede zweite Frau dort würde gerne mal mit einem der braunen Boten ins Bett gehen.“
    „Jetzt reicht's aber!“ Ich stampfte mit dem Fuß auf, wenn ich mich recht erinnere. „Du weißt genau, dass ich daran denke, mich fest zu binden!“
    „Aber du hast diesem Rechtsanwalt doch noch gar nicht zugesagt – oder hast du dich inzwischen entschieden?"
    „Ich glaube schon", sagte ich trotzig. „Doch! Ich glaube, ich werde ihn heiraten. Etwas Besseres als Jens kann mir nicht passieren.“
    „Schön für dich.“ Linda beäugte mich skeptisch. „Und wie stellt er sich im Bett so an, der Herr Dr. Kanter?“
    „Das ...“ Ich wandte mich wieder dem Fenster zu. „Das weiß ich noch nicht.“
    „Echt nicht?“ Das Gelächter meiner kleinen Schwester hallte wahrscheinlich durch das ganze Haus. „Ihr wart noch nicht einmal im Bett

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