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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Tauer
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ihrem Zimmer betrachtete ich noch einmal die Zeichnung: Ich als arrogante Königin, und er als Frosch, der geküsst werden will. Unglaublich!
    Nein, mein Ärger war völlig berechtigt: Dieses Bild war eine glatte Unverschämtheit! Ich trennte es aus Tinas Matheheft.

    *

    Den folgenden Samstag befiel mich eine merkwürdige Unruhe. Das lag natürlich an dem bevorstehenden Rendezvous mit Jens Kanter – ich sah ihm plötzlich mit sehr gemischten Gefühlen entgegen, und konnte mir das überhaupt nicht erklären. Ein Abend mit einem charmanten und erfolgreichen Anwalt, mit einem Mann in den besten Jahren, der mich mit Worten, Blicken und Gesten jetzt schon auf Händen trug – was konnte ich mir Schöneres wünschen?
    Möglicherweise würde er mich sogar fragen, ob ich ihn heiraten will. Ganz bestimmt würde er mich das fragen. Innerlich dichtete ich praktisch ununterbrochen an einer Antwort herum.
    Am frühen Abend stieg ich in seinen Daimler – und atmete auf. Alle Unruhe wie weggeblasen. Seine Nähe entspannte mich total. Auf der Fahrt ins Theater erzählte er von einem schwierigen Prozess, von seinem Treffen mit einem wichtigen Landespolitiker, vom Buch eines französischen Philosophen, den er gerade studierte.
    Ich tauchte in eine andere Welt ein, vergaß meinen Praxisstress, vergaß auch den unverschämten UPS-Mann.
    Dr. Jens Kanter war mehr, als nur irgendein Mann – er war ein Gentleman: Gebildet, seriös und stilvoll. Und sah zu allem Überfluss auch noch gut aus.
    Ich fühlte mich wohl in seiner Gegenwart, wirklich. Ich genoss es, neben ihm im Theater zu sitzen, ich ließ es zu, dass er seinen Arm um mich legte, ich genoss das Gespräch mit ihm danach, bei einem viergängigen französischen Menü.
    Gegen Mitternacht bestellte der Herr Rechtsanwalt eine Flasche Champagner. Mir war sonnenklar, was nun kommen würde – mein Herz klopfte schneller.
    Es lief alles in allem ungefähr so, wie ich es mir früher in meinen Teenieträumen immer vorgestellt hatte; ich musste ein Grinsen unterdrücken, als ich mich daran erinnerte: „Liebe Greta.“ Jens Kanter hob sein Glas. „Ich möchte gerne auf die schönste und charmanteste Frau trinken, die mir je begegnet ist – auf dich.“ Wir stießen an und tranken. Die Hitze stieg mir ins Gesicht.
    Kanter stellte sein Glas ab. „Weißt du Greta – ich habe alles erreicht in meinem Leben, was ein Mann sich wünschen kann: Erfolg, Reichtum, Ansehen und äußere Verhältnisse, die mehr als nur geordnet sind.“ Ernst sah er mich an, und plötzlich empfand ich eine Anspannung, die mir nicht gefiel. Beinahe steif kam mir alles vor.
    „Und doch bin ich nicht wirklich glücklich.“ Jens legte seine Hand auf meine. „Nicht wirklich glücklich, weil mir das Wichtigste fehlt – die Liebe einer Frau. Oder, um die Wahrheit zu sagen ..." Der Druck seiner Hand verstärkte sich, und ich fragte mich, ob die Frauenhand darunter wirklich mir gehörte. „... deine Liebe fehlt mir. Willst du dein Leben mit mir teilen, Greta?“
    Ich betrachtete seine angespannten Gesichtszüge. Im Geist sah ich ihn an einem großen Schreibtisch sitzen und an der feierlichen Rede feilen, die er gerade gehalten hatte.
    Ich verscheuchte das Bild. Mir war klar, dass ich nun „ja“ zu sagen hatte. Etwas anderes kam jetzt gar nicht mehr in Frage. Um meinetwillen, um Tinas willen. Dieser Mann da, mir gegenüber vor seinem Champagnerglas, dieser Mann würde mir alles geben können, was ich mir wünschen konnte. Geborgenheit, eine interessante und verlässliche Partnerschaft, wirtschaftliche Sicherheit, ein gutes Leben. Was wollte ich mehr?
    Ich atmete tief durch, sah ihn an und öffnete den Mund, um „ja“ zu sagen – da merkte ich auf einmal, dass ich schon länger nicht mehr lächelte. Auch fiel mir auf, dass meine linke Hand zur Faust geballt unter dem Tisch auf meinem Schoß lag. Und plötzlich blitzten mir Bilder durch den Kopf, die ich ganz bestimmt nicht bestellt hatte: Ich sah Jens nackt vor mir am Tisch sitzen, und dann sah ich uns beide nackt im Bett liegen: nicht etwa untereinander oder ineinander verschlungen, sondern nebeneinander. Und ganz unerwartet schoss mir eine Frage durch den Kopf: Wie ist er eigentlich im Bett? Was wäre eigentlich, wenn es dort nicht klappt?
    Diese Fragen hatte ich mir noch nie gestellt. Immer hatte ich als Tennispartnerin, als Freundin, als Gesprächspartnerin an Jens Kanter gedacht. Nie als Frau. Wieso eigentlich? Wieso dachte ich nie an Sex, wenn ich an ihn

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