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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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warf er einen Stein nach den Vögeln. „Weg mit euch! Weg!“
    Die Möwen suchten kreischend das Weite. Robin ließ noch zwei weitere Steine folgen, einfach weil es gut tat, sie mit aller Kraft zu werfen.
    Mehrere Augenblicke verharrte er schwer atmend, den Blick in den grauen Himmel gerichtet. Dann besah er sich zum ersten Mal, seit er in der kleinen Bucht angelegt hatte, seine Umgebung. Wo zum Geier war er überhaupt? Die Insel kam ihm vage bekannt vor, mit ihrem halbmondförmigen Sandstrand und den scharfen Felsen, in deren Spalten sich ein paar tote Kiefern festkrallten. Einer dieser Felsen sah aus wie eine gespenstische, gekrümmte Klaue.
    Ah ja, jetzt fiel es ihm wieder ein. Das hier war Skara Brae, die angeblich verfluchte Insel, auf der vor einer Ewigkeit ein paar Jugendliche ums Leben gekommen waren.
    Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus. Ob es eine gute Idee war, hier zu übernachten? Auf den ersten Blick sah er nichts Bedrohliches: Nur Möwen, Felsen, Sand und Strandhafer.
    Robin schnaubte. Natürlich, das mit dem Fluch war ja auch Blödsinn. Wenn die Typen damals umgekommen waren, dann weil sie betrunken schwimmen gegangen waren. Diese Insel war für eine Auszeit so gut oder so schlecht geeignet wie jede andere.
    Er blickte auf das Wasser. Sein Boot war, getragen durch die Bewegung der Wellen, ein Stück weit aufs Meer hinausgetrieben. Die Flut begann zu steigen. Er musste sein Gefährt dringend sichern, sonst saß er hier fest. Proviant besaß er für drei Tage, und es war nicht garantiert, dass seine Eltern ihn bis dahin gefunden hatten. Schließlich gab es in ihrem Leben nur drei wichtige Dinge: arbeiten, streiten und ihn ignorieren. Vermutlich würden es seine Lehrer sein, die seine Abwesenheit als erste bemerkten.
    Robin stemmte sich hoch, griff erneut nach dem Seil und zog, legte all seine Kraft und Wut in den Ruck.
    Mit einem schleifenden Geräusch schrammte der Rumpf des Bootes endlich auf den Strand. Hastig zurrte er das Seil um einen morschen Pfahl, der aus dem Sand ragte. Anschließend räumte er das restliche Gepäck aus dem Boot: sein Zelt, den Schlafsack, ein paar Bücher, die Isomatte und zwei Extra-Decken.
    Sollten seine Eltern niemanden schicken, um nach ihm zu suchen, war das der letzte Beweis dafür, dass sie gut ohne ihn auskamen.
    Robin starrte auf den Gepäckberg und fühlte sich einsamer als jemals zuvor in seinem Leben. Ihm war übel, der Wind biss eisig in seine Haut und seine Zähne klapperten so sehr, dass ihm der Kiefer schmerzte. Entgegen dem Versprechen, das auf einem Schild am Kragen seiner Regenjacke stand, war sie nicht wasserdicht und klebte durchweicht an seinem Körper. Als er zu seinem Rucksack hinüberging, schmatzte es bei jedem Schritt vernehmlich, denn auch seine Schuhe waren komplett durchnässt.
    Vor sich hin fluchend kramte er trockene Kleider und seine Ersatzturnschuhe aus dem Rucksack, zog sich im beißenden Wind um und legte das nasse Zeug auf den nächstgelegenen Felsen. Jetzt war er zwar trocken, aber kalt war ihm immer noch.
    Robin sah auf seine Uhr. Es war noch nicht einmal Mittag, das Zeltaufbauen konnte also noch warten. Weil ihm nichts Besseres einfiel, holte er seinen Fotoapparat und den MP3-Player aus dem Rucksack, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren, drehte 30 Seconds to Mars auf volle Lautstärke und wanderte einfach drauflos. Die Insel schien nicht groß zu sein. In zwanzig Minuten war sie bestimmt locker zu umrunden.
    Während Robin drauflos stapfte, sang er lautstark mit dem Sänger der Band mit. In diesem Moment konnte er die Welt, seinen Frust und seine Einsamkeit einfach vergessen. Das alles zählte nicht mehr. Es ging nur noch darum den nächsten Schritt zu tun, also lief er, lief immer weiter. Bis ihm plötzlich der Gestank nach Verwesung in die Nase stach.
    Überrascht blickte Robin auf. Vor ihm lag ein Strand aus dunklen Kieseln, durchsetzt von Felsen voller Algen und Seepocken. Sein Boot war weit und breit nicht zu sehen. Dafür lag keine fünf Schritt von ihm entfernt ein toter Schweinswal neben einem scharfkantigen Felsen im Sand. In den klaffenden Wunden, die über den ganzen Körper des Tieres verteilt waren, wimmelte es vor Maden. Robin kämpfte gegen den Ekel an und zwang sich, einen Schritt näher heranzugehen. Dann noch einen, und noch einen, bis der Gestank schier unerträglich wurde und er das vor sich hin faulende Tier mit den Schuhspitzen fast berührte. Er beugte sich weiter vor und verscheuchte damit

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