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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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abwürgen zu müssen, aber hier geht es aktuell nur um Bakterienkolonien. Das Perverseste, was ich Ihnen in unserer Laufbahn anbieten kann, ist unsere sogenannte Knock-Out-Maus. Das ist eine Maus, die dank Genmanipulation eine Neigung zur spontanen Bewusstlosigkeit zeigt. Genauer gesagt fällt sie andauernd in Ohnmacht. Und nun darf ich die frohe Kunde verbreiten, dass diese Führung beendet ist. Mein Kollege dort hinten wird Sie in Empfang nehmen und Ihnen die nächste Abteilung zeigen. Diese besteht aus unserer Kantine.“
    Schnatternd trollte sich die Schülerschar, während Aaron die Hände in seine Kitteltaschen schob und auf den Zehenballen auf und ab wippte. Ganze fünf Minuten musste er warten, bis sich die Türen hinter dem letzten Nachzügler schlossen und Ruhe ins Labor einkehrte.
    „Kein Kommentar, kapiert?“ Er warf seinen grinsenden Kollegen ein paar finstere Blicke zu. „Derjenige, der seinen Mund aufmacht, bekommt von mir persönlich eine Mutation verpasst, die ihn für den Rest des Lebens dazu zwingt, sechs Paar Schuhe und drei Mützen zu tragen.“
    Verhaltenes Gegacker erklang. Gefolgt von einem gemurmelten Kommentar, den er nicht verstand. Vermutlich wieder etwas latent Beleidigendes, oder ein Scherz auf seine Kosten. Aaron vollführte eine abwinkende Geste.
    Er brauchte dringend Kaffee. Am besten zäh wie Motoröl. Woran lag es, dass ihn niemand hier respektierte? An seinem zu guten Abschluss? An seiner indischen Abstammung? An seinen langen Haaren, der braunen Haut oder an der Tatsache, dass er nach zu viel Alkoholgenuss auf einer Institutsparty dummerweise von seiner Vorliebe für Bollywood-Filme schwadroniert hatte?
    Aaron verließ das Labor mit wehendem Kittel und einem politisch unkorrekten Fluch auf den Lippen. Seine Lederschuhe quietschten bei jedem Schritt auf dem gewienerten, grauen Laminat, was seine blank liegenden Nerven zusätzlich reizte. Als er sich bis auf zehn Meter dem Kaffeeautomaten genähert hatte und das Kleingeld aus seiner Hosentasche fischte, huschte ein weißer Schemen auf ihn zu. Abrupt griff dieser Schemen nach seinem Kragen, riss ihn herum und schleifte ihn mit sich. Aaron wusste kaum, wie ihm geschah.
    War das etwa Dr. Ruth Chapman? Die heißeste Braut des Instituts? Oh ja, sie war es. Eine Amazone mit weißblondem Pferdeschwanz und den blausten Augen, die sich eine Männerfantasie ausmalen konnte. Du bist der tollste Kumpel, den man sich wünschen kann, hatte sie auf der letzten Institutsparty weinselig geschworen. Mit dir würde ich Klon- Schafe stehlen.
    Tatsächlich hatte das, was er wahnsinnig gerne mit Ruth tun wollte, absolut gar nichts mit Schafdiebstahl zu tun. Und schon gar nichts mit platonischer Freundschaft. War ihr womöglich die Idee gekommen, dass sie doch mehr für ihn empfand? Warum zerrte sie ihn sonst hinter sich her wie eine Kriegerin ihre Beute? In Aarons Fantasie lagen sie bereits ineinander verkeilt auf dem Tisch des Materialraums und ließen ihnen primitiven Trieben freien Lauf.
    „Hier rein.“ Sie schob ihn nicht in den Materialraum, sondern in ein kleines, exquisit ausgestattetes Labor, warf mehrere Blicke nach rechts und links und schloss, als ihre Sondierung beendet war, gewissenhaft die Tür hinter sich. Aaron frohlockte. Das hieß also, dass Ruth nicht gestört werden wollte. Eine Spur zu hektisch strich er sich über die Haare. Hätte er sie doch heute Morgen gekämmt, anstatt sie einfach zusammenzubinden. Er war neununddreißig, Ruth sechs Jahre älter, obwohl jeder sie für Mitte zwanzig hielt. Gute Gene , erklärte sie diesen Umstand gerne lapidar. Zweifellos würde ihre Beziehung für jede Menge Getuschel sorgen.
    Egal. Er war bereit, sich dem zu stellen.
    „Das hier hat man mir heute Morgen zugespielt.“
    Zu seiner großen Enttäuschung riss sie ihm nicht die Kleider vom Leib, sondern huschte an ihm vorbei und ließ sich auf dem Computersessel nieder. Ihre Hände zitterten, während sie die Maus bearbeitete. So hatte er Ruth in all den Monaten nie erlebt. Üblicherweise war sie die Ruhe in Person. Ein Mensch, der selbst dann noch besonnen reagierte, wenn die Welt in einem Inferno unterging.
    „Bevor ich es dir zeige“, raunte sie verstohlen, „musst du mir versprechen, keinem auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen. Hast du mich verstanden? Niemandem erzählst du was. Absolut niemandem. Das muss unter uns bleiben.“
    „Klar wie Kloßbrühe.“ Aaron ließ sich auf die Schreibtischkante sinken. Bittere

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