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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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nach unten. „Du hast ihre Gefühle beeinflusst?“
    Ich nahm einen Schluck Kaffee und versuchte, seinen Geschmack und Geruch in meiner Erinnerung zu speichern. Genauso wie Maris Geruch, den Anblick ihres Haares im Sonnenschein, der durch das Fenster fiel. Das wassergrüne Leuchten ihrer Augen. „Das habe ich. Aber ich kann keine Gedanken lesen, falls das die nächste Frage gewesen wäre.“
    Thomas wuchs um mehrere Zentimeter. Seine Haare stellten sich auf, sein Gesicht nahm die Farbe eines gekochten Krebses an. Mari saß mit eingezogenem Kopf neben ihm und sah zutiefst unglücklich aus. Unter ihrer Verzweiflung spürte ich Angst. Furcht vor dem, was ich getan hatte. Und vor dem, was ich gleich tun würde.
    Du verlässt mich , sagte ihr Blick. Und du kommst nicht zurück.
    „Du beeinflusst die Gefühle von Menschen?“, polterte Thomas. „Was kannst du noch? Etwa unsere Seelen rauben? Uns ertränken? Uns in den Wahnsinn treiben? Wie viel von den Geschichten ist wahr? Was willst du wirklich von meiner Tochter?“
    Nur noch ein wenig mehr Angst und Wut, und er würde die Kontrolle verlieren. Was sollte ich ihm sagen? Dass er recht hatte? Dass ich einen Menschen mühelos töten oder ihm die Erinnerung rauben konnte, was ein weitaus schlimmeres Schicksal war als der Tod? Ich hatte vieles getan, wovon die Legenden erzählten. Schiffe auf dem Riff zerschellen lassen. Seeleute mit meiner Stimme in die Tiefe gelockt. Leben gerettet, Leben zerstört. Es wäre nur ein Lied nötig, um auch ihre Seelen zu nehmen. Eine Abfolge magischer Töne aus den Tiefen meines Geistes, dort wo der Ozean über mich regierte und eins mit mir war. Es war ein Hohn, dass ich hier saß, mit ihnen aß und trank, mit ihnen redete und ihnen Lügen erzählte.
    Ich war nicht der Junge, für den Mari mich hielt. Aber die Wahrheit würde sie nie ertragen. Wenn ich die Augen schloss, sah ich eine stürmische See bei Nacht vor mir. Ich sah mich auf einem Felsen sitzen und in Meeressprache flüstern, eine Sprache, die selbst das Tosen von Wind und Wellen durchdrang und seinen Weg direkt in die Seelen der Schiffer fand. Ich spürte, wie sie vor Sehnsucht verrückt wurden und sah, wie sie ihr Ende an den scharfen Felsen fanden. Planken zerbarsten, Masten brachen. Körper sanken in den Abgrund wie Geister, und in mir glühte der Nachhall ihrer Seelen.
    Draußen schwoll der Ruf der Wellen auf und ab. Jeder Ton im Rhythmus, ein grausames, herrliches Versprechen auf Vergessen. Ruth und Aaron würden wiederkommen, wenn ich nichts tat. Der Geist dieser Frau war abgründig wie ein Tiefseegraben und selbst für mich nicht auszuloten. Nahm sie die Fährte wieder auf, war jeder, der zwischen ihr und mir stand, nichts weiter als ein willkommener Köder.
    Thomas schien meine Gedanken lesen zu können. „Louan“, sagte er leise und scharf. „Sie wissen von ihr. Meine Tochter ist in Gefahr.“
    „Nicht, wenn sie bekommen, was sie wollen.“
    Mari stieß ein erschrockenes Keuchen aus. Sie wollte etwas sagen, doch ich schnitt ihr mit einer abwehrenden Geste das Wort ab. „Ich werde gehen. Und ich locke die beiden von euch weg. Aber vorher möchte ich, dass Sie eins wissen, Thomas. Es lag nie in meiner Absicht, euch zu belügen. Ich habe mich mit ihrer Tochter vereint. Wir sind verbunden für immer, und daran werde ich immer denken.“
    „Was meinst du mit vereint ?“ Thomas Stimme bebte. „Raus mit der Sprache.“
    „Wir haben uns gepaart.“
    Mari stieß ein Keuchen aus, ihr Vater schnappte nach Luft wie ein Fisch, den man an Land geworfen hatte.
    „Ihr habt euch … wie bitte?“
    „Dad, ich … wir haben … wir waren vorsichtig.“ Maris Verzweiflung brach mir schier das Herz. „Und ich liebe ihn.“
    „Wie konntest du nur?“, brüllte Thomas mich an. „Wir retten dir das Leben und zum Dank machst du dich postwendend über meine Tochter her und bringst sie in Gefahr?“
    „Hör auf damit.“ Maris Augen schwammen in Tränen. „Ich wollte es. Okay? Ich wollte es.“
    „Umso schlimmer. Wo ist deine Vernunft? Du weißt nicht mal, was es bedeutet, sich mit so einem …“, er ruderte aufgebracht mit den Armen, „mit so einem …“
    „… halben Tier zu paaren?“, half ich ihm auf die Sprünge. „Keine Sorge, es bedeutet rein gar nichts. Außer dass mir ihre Tochter alles bedeutet. Ich hätte nie herkommen dürfen. Es tut mir leid.“
    Das blaue T-Shirt, das Mari mir gekauft hatte, landete auf dem Boden. Ich zog die Jeans aus, dann die Unterwäsche

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