Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
deine Gegnerin sein, ich werde dir nie etwas verschweigen. Ich wünschte, du könntest das auch.«
Er sah sie an. »Ich habe es nicht gesehen. Nicht so deutlich wie du. Aber jetzt, wo du es beschreibst … ja, du hast recht. Es kam mir auch vor, als sei das Totenlicht nicht mehr in Karat, weil seine Gegenwart spurlos verschwunden ist. Aber Bilder sind noch da. Kalt und … wie ein Widerschein der Wirklichkeit.«
Eine Weile standen sie schweigend in der Nacht. Das Zirpen der Grillen bebte im Schleier der Stille auf. Am Himmel war kein Mond zu sehen, nur ein wenig Sternenstaub in der Ferne. Auf der zweiten Sicht schwamm das Land in glimmenden Adern, friedlich wie immer. Die Welt schien ganz dicht an sie heranzurücken.
»Wenn Saraide oder Anetán ein Totenlicht gefunden haben, werden sie uns suchen und töten wollen. Nicht wahr?«
Er nickte nur. Sie atmete noch einmal tief durch. Wenn sie doch eine Lösung wüsste … am besten wäre es vielleicht, wenn sie die Totenlichter fand, bevor die Druiden es taten. Dann war sie unangreifbar und sie würde kein Unheil mit ihrer Macht anrichten.
Du musst … alle … in dir einen …
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, als könne sie so die Stimmen verscheuchen.
Seine Hand verkrampfte sich um ihre. Kurz befürchtete sie, er könne ihre Gedanken erraten haben, doch als sie aufsah, schloss er sie in die Arme und drückte sie fest an sich.
»Hab keine Angst. Ich werde dich beschützen, egal wovor. Vor allen.«
»Ich hab keine Angst vor den anderen«, flüsterte sie.
Er verstand, ohne ihre Angst aussprechen zu müssen, und atmete aus. Hel schloss die Augen. Wohin führte das alles nur? Sie wollte ihm sagen, dass sie ihn liebte; wollte irgendwie beweisen, dass ihr nichts wichtiger sein konnte. Doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Und so schwiegen sie beide wieder, zitternd und sprachlos, vor Hoffnungslosigkeit.
Durch ihre Träume schnitt die Vision von Karats Totenlicht wie eine glatte Klinge. Gebirge. Schnee. Das Ende der Welt. Mit langen Schritten näherte es sich dem letzten, dem vierten, noch verschollenen Licht im Schoß der schlafenden Erde. Die Meilen, die sie trennten, wurden mit jeder verstreichenden Sekunde zur Seite gefegt wie von Schwerthieben.
Bald. Bald. Waren zwei Totenlichter geeint, wären sie zusammen mächtiger als die beiden Lichter, die getrennt in Mercurin und Hel glommen.
Nur einer würde sie einen. Alle anderen würden sterben.
Und die Zeit flog im Tanz von Schneeflocken.
»Was ist das?«
Hel fuhr aus dem Schlaf, als sie Mercurins alarmierte Stimme hörte. Er war schon aufgestanden und lief unter den Bäumen hervor. Es dauerte einen Moment, bis sie aus ihren Träumen in der Wirklichkeit angekommen war. Dann lief sie ihm taumelnd nach, noch weich vor Schlaf.
»Was? Was ist?« Sie sah sich verwirrt um. Es war schon heller Tag, doch schwere Wolken trieben Schatten durch das Land. Und dann sah auch sie es: ein stecknadelgroßes schwarzes Loch im Lichterstrom der zweiten Sicht. Ein Schauer schoss ihr den Rücken herauf. Karat? Ein Dämon? Irgendetwas war da, was Lirium aufsaugte.
»Was ist das?«, murmelte sie.
Der Wind strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Seine Kieferknochen traten hervor. Etwas Gefährliches hing über seinen Augen.
Mehrere Minuten beobachteten sie angestrengt das Loch in der zweiten Sicht. Es schien größer zu werden. Hel erkannte, dass es näher kam. Was ging hier vor sich?
Irgendwann ließ sie sich ins Gras sinken, umschlang ihre Beine mit den Armen und sah der unheilvollen Erscheinung entgegen. Mercurin begann auf und ab zu gehen. Immer wieder starrte er auf den Boden, dann in den Himmel, als wöge er die Möglichkeiten ab, was dort auf sie zukam.
»Saraide oder Anetán sind es nicht«, sagte Hel leise.
Er schüttelte den Kopf. »Sie würden sich verborgen halten.«
»Karat … aber dann würden wir ihn spüren.«
Eine Stunde verstrich. Noch eine. Der Tag kroch dahin und das tote Loch wuchs wie ein Geschwür am Horizont. Dann war es so nah herangekommen, dass sie einzelne Löcher erkannten, die aus der Ferne wie ein großes erschienen waren. Dünne Fäden des Nichts hingen herab. Als würden sich die Löcher vom Lirium des Bodens nähren …
Schließlich hob Mercurin die Arme. Hel fragte, was er vorhatte, doch dann begriff sie schon, dass er die Wolken öffnete. Kreidebleiches Sonnenlicht goss herab. Der Himmel lichtete sich. Aus dem bauschigen Grau erschien ein Schwarm schwarzer Flecken. Hel stockte der
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