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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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lange unterhalten?«
    »Ach, über alles mögliche.«
    Er sah sie ernst an. »Ist sie krank?«
    Samantha erwiderte seinen Blick ruhig, obwohl sie innerlich gar nicht ruhig war. »Sie bat mich, niemandem etwas von unserem Gespräch zu erzählen, und ich habe es ihr versprochen.«
    Mark hob seinen Stock, betrachtete aufmerksam die silberne Krücke und legte den Stock wieder nieder. »Hat sie ein gesundheitliches Problem?«
    »Ich kann Ihnen nichts sagen.«
    »Ich habe ein Recht, es zu wissen«, entgegnete er leise.
    Samantha verspürte plötzlich tiefes Mitleid, nicht mit Clair, die ihrem Tod tapfer ins Auge sah, sondern mit Mark, der bald um sie trauern würde. So gern hätte sie ihm die Wahrheit gesagt, um ihm die Möglichkeit zu ge {257} ben, sich auf den Verlust vorzubereiten, aber Clair hatte es ihr ausdrücklich verboten. Samantha kämpfte mit ihrem Gewissen. Aus Liebe zu Mark wünschte sie, ihm die Wahrheit sagen zu können, ihm in seinem Schmerz beizustehen; doch sie durfte als Ärztin das Vertrauen einer Patientin nicht mißbrauchen.
    »Sie bat mich um einen Rat, und ich habe ihn ihr gegeben. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.«
    Er schwieg nachdenklich, dann nickte er. »Ich bin glücklich, daß Sie heute abend bei uns waren. Sie haben den Abend zu etwas Besonderem gemacht.«
    Samantha senkte den Kopf. Sie wünschte, die Pferde würden schneller traben. Ihr Verlangen nach Mark war so stark, daß sie fürchtete, nicht mehr lange ihre Fassung bewahren zu können. Am liebsten hätte sie geweint. Nicht um Clair. Um Mark. Dieses elende Versprechen. Wenn sie es ihm doch nur sagen könnte.
    »Samantha«, rief er erschrocken und sprang auf, als er sah, daß sie weinte.
    »Entschuldigen Sie!« Sie schluchzte auf und wischte sich gleichzeitig mit zorniger Bewegung die Tränen von den Wangen.
    Er setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. »Verzeihen Sie«, murmelte er. »Ich habe Sie mit meinen Fragen verstört.« Er reichte ihr sein Taschentuch.
    Sie drückte es an die Augen. Es roch schwach nach seinem Toilettenwasser.
    »Es ist nicht Ihre Schuld, Mark«, sagte sie. »Ich bin einfach müde.«
    »Landon läßt Sie wahrscheinlich viel zu hart arbeiten.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn lächelnd an. Durch ihr Cape fühlte sie die Wärme seines Körpers und die Berührung seines Armes, der schützend um ihre Schultern lag. Wieder sah sie in seinen Augen diesen intensiven Blick, der wie eine Liebkosung war. Einen Moment lang sah sie ihn an, dann schloß sie die Augen und genoß einfach seine Nähe. Ausnahmsweise einmal hatte sie das Gefühl, nicht stark sein, nicht in Kontrolle sein zu müssen, sondern sich fallenlassen, sich Schwäche erlauben zu können.
    Im flott dahinrollenden Wagen hielt er sie an sich gedrückt und betrachtete stumm das Gesicht mit den geschlossenen Augen, das wie schlafend wirkte. Wie konnte eine Frau so stark und eigenständig sein und zugleich so zart und schwach? Er bewunderte ihren Mut und ihre Unerschrockenheit, sah sie als eine mündige Frau, die es schaffte, allen Widerständen zum Trotz zu sich selber zu stehen, und doch hatte er gleichzeitig das {258} Gefühl, sie beschützen zu müssen. Keine Frau hatte ihn je so gefesselt wie Samantha, keine Frau hatte er je so heftig begehrt.
    Er wünschte, die Fahrt würde ewig so weitergehen und war enttäuscht, als sie vor dem grauen Krankenhausgebäude hielten. Er brachte sie ins Foyer und faßte sie, stehenbleibend, bei den Schultern.
    »Geht es Ihnen besser?« fragte er weich.
    Samantha nickte.
    Mark wartete. So vieles wollte er ihr sagen, aber keines der vielen Worte, die ihm auf der Zunge lagen, wollte ihm über die Lippen. Darum sagte er nur: »Gute Nacht, Samantha.«
    »Gute Nacht, Mark«, flüsterte Samantha und wandte sich ab.
     
    Obwohl es spät war, wurde in Dr. Westons Zimmer noch gefeiert. Banjoklänge und weibliches Gelächter drangen durch die Tür auf den Korridor. Samantha rannte vorbei, hinunter zum stillen Teil des Flurs, und stürzte in ihr Zimmer. Keuchend, mit den Tränen kämpfend, lehnte sie sich an die Tür. Warum ist Liebe so schmerzhaft?
    Sie hörte draußen schnelle Schritte, dann klopfte es an ihre Tür. Widerwillig machte sie auf, und da stand Mark vor ihr. Er drängte sich an ihr vorbei, schlug beinahe zornig die Tür zu, packte sie bei den Armen und sagte: »Verdammt nochmal, Samantha, ich liebe dich.«
    Beinahe gewaltsam riß er sie an sich und küßte sie. Die Leidenschaft, mit der sie seinen

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