Sturmjahre
sich widerstrebend ihrem Wunsch gefügt, niemandem, nicht einmal seiner Mutter, etwas von ihrer Verlobung zu sagen.
Samantha trank von ihrem Tee und dachte an die Nächte mit Mark.
Mark berührte flüchtig ihre Hand. »Samantha, ich muß dir etwas sagen. Es fällt mir ziemlich schwer. Ich muß nächste Woche nach London.«
Sie sah ihn entsetzt an. Dann fiel ihr ein, wo sie waren, und sie vertuschte hastig ihre Bestürzung.
»Im Auftrag vom St. Luke’s. Ich soll das Krankenhaus dort bei einem Kongreß vertreten.«
»Kann nicht jemand anderer reisen?«
»Der Kongreß ist nicht nur für das Krankenhaus wichtig, Samantha, sondern auch für meine Karriere. Wenn ich dort gute Figur mache, kann mir das meine eigene Abteilung einbringen.«
Samantha nickte. Schon begannen sich Beruf und Karriere in ihr Privatleben einzudrängen; damit mußten sie umgehen lernen, wenn sie in Harmonie zusammenleben wollten.
»Wie lange wirst du weg sein?«
»Der Kongreß dauert nur eine Woche. Meine Passage ist schon gebucht. Ich reise mit der
Excalibur
nach Bristol. Wenn das Wetter mitspielt, bin ich in der letzten Oktoberwoche zurück. Genau vier Tage vor deiner Abschlußfeier.«
{261} »Vier Wochen! Wie soll ich das überleben?«
»Samantha.« Wieder berührte er wie zufällig ihre Hand. »Laß uns doch jetzt heiraten. Ehe ich abreise.«
Sie war versucht, ja zu sagen, aber dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, Mark. Es sind ja nur noch vier Wochen. Dann sind wir frei. Außerdem wäre es für deine Mutter nicht schön, wenn wir sie einfach so damit überraschen.«
»Ach, Mutter kommt über jede Enttäuschung hinweg. Sie wirft so leicht nichts um.«
»Trotzdem, Mark.« Dabei wäre sie am liebsten aufgesprungen und hätte Mark vor der versammelten Mannschaft mitten auf den Mund geküßt. Danach hätten sie sich auf dem nächsten Standesamt trauen lassen und vor seiner Abreise noch ein paar schöne gemeinsame Tage verleben können.
Aber nein! Das Zertifikat war zu wichtig, und Prince war jedes Mittel recht, um es ihr vorzuenthalten.
»Was bin ich für ein Glückspilz«, sagte Mark beinahe feierlich. »Manchmal habe ich direkt Angst, ich könnte aufwachen und feststellen, daß alles nur ein Traum war.«
Samantha lachte, obwohl ihr nicht danach zumute war.
»Ich muß jetzt auf die Station«, sagte sie dann. »Wir haben vier Frauen im Kreißsaal.« Sie trank den letzten Schluck Tee und stand auf.
Er sah ein wenig traurig zu ihr auf. »Heute abend?«
Sie überlegte. Seit ihrem letzten Zusammensein war eine Woche vergangen. Landon würde ihr sicher den Abend freigeben. »Ja, heute abend«, sagte sie leise und eilte hinaus.
»Guten Morgen, Dr. Hargrave!«
Samantha blickte von ihrer Untersuchung auf und sah direkt in das strahlende Gesicht Letitias. Sie trug einen Korb voll Rosen am Arm, zweifellos die Tischdekoration eines festlichen Abendessens bei der Familie MacPherson, und hinter ihr wartete ein Hausmädchen mit einem Stapel Leintücher.
»Samantha, ich habe Leintücher für Verbände mitgebracht. Meine Mutter mag sie nicht mehr, aber sie sind noch in sehr gutem Zustand.«
»Danken Sie Ihrer Mutter für uns. Pearl, würden Sie sie bitte der Schwester am Tisch geben?«
»Und wem soll ich die Rosen schenken?« fragte Letitia.
Samanthas Blick schweifte durch den sonnenhellen Saal und blieb am Bett von Mrs. Murphy hängen. Die alte Frau war in der vergangenen {262} Woche mit heftigen Magenschmerzen und chronischem Erbrechen eingeliefert worden. Sie hatte nie in ihrem Leben ein Stethoskop gesehen und hatte, als Samantha ihr das Instrument auf die Brust setzte, gemeint, es handle sich um irgendeine neumodische Behandlungsmethode. Mit einem tiefen Seufzer hatte sie gesagt: »O ja, es geht mir schon viel besser.«
»Mrs. Murphy, drüben in Bett sieben, freut sich gewiß über die Rosen, Letitia.«
Mit gerunzelter Stirn sah Samantha dem jungen Mädchen nach, das heiter davonsprang. Sie machte sich ernstliche Sorgen um sie.
Während Samantha noch dastand und Letitia beobachtete, die lachend mit der alten Mrs. Murphy plauderte, kam Dr. Weston zur Tür herein. Als er Letitia sah, stockte sein Schritt einen Moment, und Letitia, die aufblickte, wurde rot. Er ging an ihr vorbei, als hätte er sie nicht bemerkt, und sie plauderte weiter mit Mrs. Murphy, aber Samantha war der kurze Blickwechsel zwischen den beiden nicht entgangen. Ich sollte mit ihr reden, dachte sie. Sie spürt nicht die Gefahr.
Tatsächlich wußte Letitia
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