Sturmjahre
Leben mit dem Verkauf der Felle der von ihm gefangenen Katzen fristete, zog den Findling auf und lehrte ihn sein Gewerbe. Er starb an Lungenentzündung, als Freddy sieben Jahre alt war. Auf sich selbst gestellt, fand Freddy Unterschlupf in einem verlassenen, alten Schuppen und ernährte sich, so gut es ging, mit Betteln und Stehlen sowie vom Katzenfang. Fast jeden Abend ging er mit Stock und Sack bewaffnet auf Beute und zog den Katzen, wie der Alte es ihn gelehrt hatte, dann bei lebendigem Leib das Fell ab, da für solche Felle das meiste Geld zu bekommen war. Oft prahlte er damit, daß er eines Tages sein eigenes Gasthaus eröffnen würde.
Freddy war es, der die vierjährige Samantha endlich zum Sprechen brachte.
Als die Kinder eines Tages gegen Abend vom benachbarten Markt zurückkehrten, wo sie Zwiebeln und Würste gestohlen hatten, blieb Freddy so plötzlich stehen, daß Samantha gegen ihn prallte.
»Horch!« flüsterte er und drehte den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung.
Samantha spitzte die Ohren und hörte von irgendwoher leises Wimmern.
»Das ist eine Katz!« rief Freddy. »Komm, die fangen wir uns und häuten sie und verkaufen das Fell. Für das Geld kauf ich dir ein paar Schweinsfüße. Na, wär’ das was?«
Verwundert folgte ihm Samantha, als er vorsichtig zu einem Loch in der Umzäunung schlich. Er kroch auf alle Viere und spähte hinein.
»Recht hab’ ich gehabt. Eine Katze. Und verletzt ist sie auch. Da erwischen wir sie mit Leichtigkeit und können ihr gleich das Fell abziehen.«
Während er an seinen Gürtel griff, um das Messer herauszuholen, kniete auch Samantha nieder und spähte durch das Loch im Zaun. Eine rotscheckige alte Katze lag dort leise klagend auf der Seite, in einem Bein eine große Wunde.
Als Freddy den Arm ausstrecken wollte, um zuzupacken, faßte Samantha ihn hastig am Handgelenk. Überrascht von der Kraft ihres Zugriffs, hielt er inne. »Was ist denn los?«
{33} Samantha schüttelte den Kopf so heftig, daß die Locken flogen.
Er wollte sich losreißen. »Ach, komm schon. Für das Geld können wir uns was Richtiges zu essen kaufen.«
Sie öffnete den Mund und stieß einen heiseren Laut aus.
»Was sagst du?«
»Krank.« Es war nur ein kratziges Flüstern.
Freddy sah sie erstaunt an. »Du kannst ja reden!«
»Krank!« sagte sie wieder, immer noch die Hand an seinem Arm.
»Ja, ich weiß, daß die Katze krank ist. Das ist ja gerade das Gute. Da können wir sie leicht –«
»Helfen, Freddy! Helfen!«
Er riß die Augen auf. »Was? Ich soll der ollen Katze helfen?«
Sie nickte heftig.
»Du spinnst ja!«
Sie fing an zu weinen. »Hilf der Katze. Bitte!«
Er starrte ihr in das schmutzige kleine Gesicht und merkte, wie er weich wurde. »Ach, ich weiß nicht. Ich wollt’ nur schnell reinlangen und ihr eins mit dem Messer verpassen. Aber anfassen läßt die sich von uns bestimmt nicht. Die kratzt uns höchstens. Das ist bei kranken Tieren immer so.«
Wieder schüttelte Samantha den Kopf und beugte sich tiefer. Sie sah lächelnd in die leuchtenden gelben Augen der Katze und streckte langsam den Arm nach ihr aus. Die alte Katze ließ sich ruhig von ihr streicheln.
Freddy war baff. »Also da kriegst du wirklich die Motten.«
Sie brauchten eine Woche, um die Katze gesundzupflegen. Jeden Morgen, nachdem Samanthas Vater aus dem Haus gegangen war, trafen sie sich und rannten zu dem Hinterhof, um die Katze zu versorgen. Samantha stahl Milch aus der Speisekammer und fütterte das Tier damit, und sie nahm mehrmals etwas von dem grünen Brotschimmel mit, den die Haushälterin in einer Dose in der Küche verwahrte, um das verletzte Bein der Katze damit zu betupfen. Wozu das gut war, wußte sie nicht, aber sie hatte gesehen, wie die Haushälterin Matthew einmal das grüne Zeug aufgelegt hatte, als dieser mit einer tiefen Rißwunde am Arm nach Hause gekommen war. Freddy, von dem die Katze sich nicht anrühren ließ – sie hatte ihn gekratzt, als er es einmal versuchte –, pflegte an den Zaun gelehnt ungeduldig zu warten, während seine kleine Freundin das Tier streichelte und versorgte. So ging das acht Tage lang, dann war die Katze eines Morgens spurlos verschwunden.
Freddy war es auch, der Samantha als erster vor Isaiah Hawksbill warnte.
{34} Nicht weit von der Straßenecke stand ein dunkles, stilles Haus, gruslig und geheimnisvoll. Mehrere seiner Fenster waren mit Brettern vernagelt, doch es war bewohnt. Ein alter Mann lebte dort, ganz allein, der sich
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