Sturmjahre
genügend Personal einstellst, Zeit, mit den Frauen zu sprechen. Es ist doch ganz einfach, Samantha. Ich verstehe gar nicht, warum wir darauf nicht schon viel früher gekommen sind.«
Samantha starrte Hilary in das strahlende Gesicht, und plötzlich war ihr, als öffnete sich ein Wolkenvorhang, um der Sonne freie Bahn zu geben: {295} diese innere Unruhe, die sie in den letzten Monaten immer wieder gequält hatte! Das war es, was ihrem Leben fehlte – eine Herausforderung, die Wagemut und Kampfgeist verlangte.
»Mein eigenes Krankenhaus!«
»Du könntest alles selbst bestimmen, einstellen, wen du willst –«
»Ein Assistentenprogramm, Schwesternausbildung, freie Impfungen, Beratung – ach, Hilary, meinst du wirklich, wir könnten das schaffen?«
»Aber natürlich!«
Über den Tisch hinweg reichten sie sich die Hand, entschlossen, den Weg, der vor ihnen lag, gemeinsam zu gehen. Sie hatten ein Ziel, und sie wußten, ohne es aussprechen zu müssen, daß es ihnen gelingen würde, dieses zu erreichen.
4
»Das werden Sie nie schaffen, Dr. Hargrave. Der Plan ist absurd.«
LeGrand Mason, Dahlias Mann, der Bankier, sprach mit großem Nachdruck. Er war ein untersetzter, energischer Mann, der seine Erklärungen mit Vorliebe in einem Ton der Endgültigkeit gab, der unterstellte, daß sie der Weisheit letzter Schluß waren.
Aber nicht dieses für ihn typische Verhalten beunruhigte Samantha in diesem Moment, sondern die Tatsache, daß sie genau das gleiche bereits von Darius und dann von seinem Anwalt, Stanton Weatherby, gehört hatte. Diese drei Finanzfachleute hatten ihren Plan jeder für sich begutachtet und ihn rundheraus für undurchführbar erklärt.
Samantha ging zum Fenster. Es war spät, Nebel hing über der Stadt. Von irgendwoher kam das langgezogene Heulen eines Nebelhorns. Samantha fröstelte und rieb sich die Arme. Eine kalte Furcht, daß ihr junger Traum sich in nichts auflösen würde, hielt sie gepackt.
Nach ihrem Beschluß im
Chez Pierre
hatten Samantha und Hilary zunächst die Struktur und Betriebsweise einer Reihe von Krankenhäusern in der Stadt und ihrer Umgebung studiert und dann einen Finanzierungsplan entworfen. Der hatte sich leider als sehr unausgeglichen erwiesen: zu hohe Ausgaben, zu geringe Einnahmen. LeGrand Mason hatte anhand dieses Papiers ausgerechnet, daß das Frauen- und Kinderkrankenhaus von San Francisco innerhalb von spätestens sechs Monaten bankrott sein würde.
»Kein Mensch wird in ein Verlustunternehmen investieren«, sagte er jetzt hinter ihr. »Wenn Sie aber von jedem Patienten ein Honorar verlangen, werden Sie Kapitalgeber finden, so viele Sie brauchen.«
{296} Samantha drehte sich um. »Aber Mr. Mason, es ist doch undenkbar, von einem Wohlfahrtskrankenhaus zu erwarten, daß es Gewinn macht. Unsere Kapitalgeber werden keine Anleger mit Gewinnbeteiligung sein, sondern
Spender.«
»Das ist doch eine Illusion. Sicher, Sie werden von Leuten wie den Crockers und den Stanfords Spenden zur Gründung des Krankenhauses erhalten, aber Sie können nicht erwarten, daß diese Spenden regelmäßig und unaufhörlich fließen werden.«
»Der Gewinn, Dr. Mason, schlägt sich in der Erhaltung menschlichen Lebens nieder.«
Mason warf einen hilfesuchenden Blick auf Darius, der sogleich sagte: »Samantha, ihr könnt vielleicht genug Mittel aufbringen, um das Krankenhaus auf die Beine zu stellen, aber ihr werdet es niemals in Gang halten können. Und dann ist es auch mit der Erhaltung menschlichen Lebens vorbei.«
»Doch, Darius, es ist zu schaffen. Ich kriege das Geld. Hilary und ich haben uns schon einiges überlegt, Wohltätigkeitsveranstaltungen zum Beispiel.«
Darius schüttelte nur stumm den Kopf. Er mochte Samantha, bewunderte ihren Kampfgeist und ihren Optimismus, aber ihre Starrsinnigkeit ärgerte ihn. Zumal sich seine Frau davon hatte infizieren lassen. Seit die beiden so dicke Freundinnen waren, zeigte sich Hilary manchmal recht eigenwillig.
Es war still im überladenen Salon der Familie Gant, während jeder der fünf Anwesenden seinen eigenen Gedanken nachhing. LeGrand Mason, der am Kamin stand, trommelte mit den Fingern ungeduldig auf den marmornen Sims. Er hatte gegen den Krankenhausplan nichts einzuwenden; im Gegenteil, seit Dr. Hargrave ihm und Dahlia so wunderbar geholfen hatte, war es ihm ein Anliegen, sie bei ihrer hervorragenden Arbeit zu unterstützen, wo er konnte. Das Problem war nur, daß sie die Sache nicht auf die richtige Art anpackte. Schließlich war er
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