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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gewissermaßen dem ›alten Adel‹ von San Francisco angehörte, hatte für seine älteste Tochter große Pläne gehabt; aber als sie sich in diesen rauhbeinigen millionenschweren Parvenu verliebt hatte, hatte der Alte, dem die schnörkellose Direktheit des Mannes grollende Bewunderung abzollte, nachgegeben.
    Auch Samantha mochte ihn von Anfang an. Darius hatte seine Kontakte in sämtlichen aufblühenden Industrien Kaliforniens, vom Weinbau bis zum Eisenbahnbau. Er war ein interessanter und großzügiger Mensch, ein Förderer der Künste und immer eifrig bedacht darauf, seine Offenheit für alles Neue zu demonstrieren; im Grunde seines Herzens jedoch war Darius Gant immer noch der arme Junge vom Land, der mit einem Traum nach Kalifornien gekommen war: Wenn er sich
Die Hochzeit des Figaro
ansah, konnte er immer noch laut herauslachen.
    Jede Woche nahm sich Samantha Zeit zum Zusammensein mit Hilary. Solche Unbeschwertheit hatte sie seit den Tagen, als sie mit Freddy umhergezogen war, nicht mehr gekannt. Sie lernte ein San Francisco kennen, von dessen Existenz sie nichts gewußt hatte. Hilary überschüttete ihre neue Freundin mit Aufmerksamkeiten. Sie besuchten Isaac Magnins Modeatelier und bestellten eine komplette neue Garderobe für Samantha. Aber als Hilary dann auch noch wollte, daß sie sich kostbares Porzellan aussuche, legte Samantha Protest ein und setzte diesem verschwenderischen Einkaufsbummel ein Ende.
    Hilary nahm Samantha mit in den Golden Gate Park zum Reiten und führte sie danach in einen ganz neuen Sport ein, der ihre Leidenschaft war, das Bogenschießen. Bald wurde es den beiden Frauen zur Gewohnheit, jeden Montag der Woche miteinander zu verbringen, und ein spätes Mittagessen in einem diskreten Restaurant, in dem auch Damen ohne männliche Begleitung bedient wurden, krönte ihren gemeinsamen Tag.
    »Weißt du, Hilary«, sagte Samantha eines Tages, als sie beim Tee im
Chez Pierre
saßen, »deine Freunde liegen mir dauernd damit in den Ohren, daß ich meine Praxis verlegen soll. Sie behaupten, sie kämen nur ungern in dieses Viertel. Ich kann das natürlich verstehen, aber wenn ich umziehe, leiden meine anderen Patienten darunter. Dann müssen sie mit der Eisenbahn fahren, um zu mir zu kommen, und viele können sich das nicht leisten. Jetzt bin ich in ihrer Nähe und für sie leicht zu erreichen. Ich finde, es ist einfacher für deine Freunde, zu mir zu kommen, als es für {294} meine weniger wohlhabenden Patienten wäre, wenn ich umziehen würde.«
    »Dann zieh nicht um«, sagte Hilary einfach.
    »Das ist nicht das einzige Problem. Die Zahl meiner Patienten ist so groß geworden, daß ich kaum noch fertigwerde. Viele größere Operationen muß ich ablehnen. Kleinere Eingriffe kann ich machen, aber die schwierigeren Fälle muß ich an andere Ärzte überweisen, weil ich das Zertifikat nicht habe.«
    Hilary nickte teilnehmend. Sie kannte Samanthas Geschichte. Es schien ihr lächerlich und kleinlich, daß eine blendende Chirurgin wie Samantha wegen einer solchen Formalität nicht an den Krankenhäusern San Franciscos zugelassen wurde. Während sie ihren Tee tranken und sich unterhielten, reifte in Hilary langsam eine Idee.
    »Und, weißt du«, fuhr Samantha fort, »die Unwissenheit unter den Patientinnen ist einfach bodenlos. Nicht nur bei den Frauen der unteren Schicht, sondern auch bei denen aus deinen Kreisen. Wenn du wüßtest, wieviele deiner Freundinnen felsenfest überzeugt sind, daß sie die Empfängnis verhüten können, wenn sie eine Kette aus Knoblauchzehen um den Hals tragen! Ich kenne eine Frau, die meint, wenn sie beim Beischlaf absolut bewegungslos daliegt und ihn nicht genießt, dann wird sie nicht schwanger.«
    Samantha machte eine kurze Pause, um einen Schluck Tee zu trinken.
    »Ach, ich weiß nicht, Hilary. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, sie wenigstens über die grundlegenden Dinge aufzuklären und zu unterrichten. Im Moment bin ich immer so in Eile und Hetze, daß ich nur untersuchen und verschreiben kann. Ich habe nicht die Zeit, mich mit jeder einzelnen Frau zusammenzusetzen und mit ihr zu sprechen, wie ich das gern tun würde.«
    »Aber Samantha«, sagte Hilary und biß herzhaft in ihr Brötchen, »die Lösung liegt doch auf der Hand. Mach dein eigenes Krankenhaus auf.«
    »Was?«
    Begeistert von ihrem Einfall, erklärte Hilary eifrig: »Mach dein eigenes Krankenhaus auf. Ein Krankenhaus für Frauen von Frauen geführt. Du könntest operieren und hättest, wenn du

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