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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Dies war nicht der erste solche Fall. Während sie auf die bläulichen Lider und das friedlich schlafende Gesicht hinunterblickte, dachte sie, verdammt noch mal, so kann das nicht weitergehen.
    Sie richtete sich auf. Zum Glück schien es, als würde das Mädchen durchkommen, obwohl sie am frühen Morgen dem Tod nahe gewesen war. Das war Willella Canbys Geistesgegenwart zu verdanken, die dem Mädchen sofort den Magen ausgepumpt und ihr so das Leben gerettet hatte. Ob das Mädchen allerdings glücklich sein würde, wenn Samantha ihr beim Erwachen sagte, daß das Mittel zur Zyklusregulierung, das sie in der Apotheke gekauft hatte, nicht gewirkt hatte und sie immer noch schwanger war, war zu bezweifeln.
    Samantha nahm ihr Stethoskop ab und steckte es in die große Tasche ihres Rocks. Die Unfälle infolge unbeabsichtigter Überdosen von Medikamenten, die jedermann in der Apotheke oder Drogerie kaufen konnte, nahmen zu. Immer größer wurde die Zahl argloser Frauen und Mädchen, die entweder suchtkrank wurden oder sich, was noch schlimmer war, mit Medikamenten umbrachten, von denen ihre Hersteller behaupteten, sie seien gesund und absolut unschädlich.
    Samantha ging langsam durch den Saal und machte immer wieder halt, um mit dieser oder jener Patientin ein paar Worte zu wechseln. Auf dem Weg zu ihrem Büro machte sie erst einen Abstecher zu Dr. Lovejoy, um mit ihr einen Fall zu besprechen, dann ging sie zu Charity Ziegler, die ihr den Speisezettel für den nächsten Tag vorlegen wollte und ihr berichtete, daß man den Hausdiener wieder einmal betrunken im Keller entdeckt hatte, wo er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Als sie endlich in Vorfreude auf fünf Minuten Ruhe und eine Tasse Tee ihr Zimmer betreten wollte, hielt Schwester Constance sie auf, um ihr mitzuteilen, daß im Untersuchungsraum eine neue Patientin warte.
    Samantha ging sogleich zu ihr. Es war eine füllige Frau mittleren Alters im altmodischen Turnürenkleid und einem gewaltigen Hut mit wippenden Straußenfedern, die den ganzen Raum auszufüllen schienen. Sie war eine lebhafte, energisch wirkende Person, ganz ohne die Schüchternheit, die die meisten neuen Patientinnen an den Tag zu legen pflegten. Nein, sie habe keine Beschwerden, sagte sie, sondern nur eine Frage: Sie sei zweiundfünfzig Jahre alt und habe schon seit zwei Jahren die Regel nicht mehr gehabt; nun aber hätten die Blutungen wieder begonnen. Sie wollte wissen, ob sie noch schwanger werden könne.
    Samantha verbarg ihre Besorgnis hinter einem Lächeln, während sie der {351} Frau auf den Untersuchungstisch half. Nachdem sie sie untersucht hatte, sah sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Frau hatte Krebs.
    Sie blieb eine Weile bei ihr, gab ihr ein Taschentuch, mit dem sie ihre Tränen tocknen konnte und versuchte, ihr Mut zuzusprechen. Dann läutete sie und bat Schwester Hampton, sich mit der Frau in eines der kleinen privaten Sprechzimmer zu setzen.
    Niedergeschlagen blieb sie auf ihrem Hocker im Untersuchungsraum sitzen. Bei Gebärmutterkrebs gab es keine Rettung. Er war nicht zu operieren, da bösartige Wucherungen sehr stark bluteten und meist auch andere Organe in Mitleidenschaft gezogen waren, so daß eine Operation immer tödlich ausging. Diese nach außen hin so robuste, energiegeladene Frau hatte höchstens noch einige Monate zu leben.
    Ein zaghaftes Klopfen riß sie aus ihren Gedanken.
    »Dr. Hargrave?« sagte Schwester Constance.
    »Ja, Constance?«
    »Draußen ist ein Chinese, der Sie sprechen möchte. Er sagte, es sei sehr dringend.«
    Der Chinese war, wie sich herausstellte, der Hausdiener der Gants. Er war sehr erregt.
    »Missy Gant sehr krank. Bitte kommen!«
    »Welche Miss Gant?« fragte Samantha erschrocken.
    »Missy
Lady
Gant. Schnell bitte!«
    In höchster Unruhe folgte Samantha dem eilenden Chinesen zum Wagen hinaus.
    Die Haushälterin empfing sie an der Tür und führte sie durch das stille Haus zu Hilarys Schlafzimmer. Dort klopfte sie an die Tür und rief mit gesenkter Stimme: »Dr. Hargrave ist hier.«
    Elsie machte auf. Sie war so bleich, daß Samantha erschrak.
    »Was ist passiert, Elsie?« fragte sie, während sie schon aus ihrem Mantel schlüpfte. Noch ehe das Mädchen antworten konnte, sah sie Hilary auf dem Bett liegen, bewußtlos.
    »Mein Gott, Dr. Hargrave«, flüsterte Elsie hinter ihr. »Es war grauenvoll. Sie ist die Treppe hinuntergefallen.«
    Samantha beugte sich über Hilary. Der Pulsschlag war schwach und verlangsamt; die Haut war klamm,

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