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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Hände und Füße waren eiskalt, die Lippen bläulich verfärbt. Samantha zog die Lider hoch und sah, daß die Pupillen stark verengt waren.
    »Wie ist es passiert?« fragte sie, während sie Hilary weiter untersuchte, um festzustellen, ob sie sich bei dem Sturz etwas gebrochen hatte.
    {352} »Mrs. Gant war schon heute morgen so sonderbar«, berichtete Elsie tonlos. »Ich konnte sie kaum wecken, und dann war sie irgendwie – irgendwie benebelt. Sie blieb den ganzen Tag in ihrem Zimmer. Und vorhin hörten wir es dann poltern, und als ich hinkam, lag sie unten an der Treppe.«
    Samantha runzelte die Stirn. »Was meinen Sie mit ›benebelt‹, Elsie? Können Sie mir den Zustand ein bißchen genauer beschreiben?«
    »Na ja, sie war schläfrig, wissen Sie. Sie sagte, sie hätte fürchterliche Kopfschmerzen. Und sie hatte schrecklichen Durst. Ich konnte den Krug gar nicht schnell genug nachfüllen. Ach, Dr. Hargrave, sie muß doch nicht sterben, oder?«
    »Ich muß wissen, ob sie etwas eingenommen hat. Tabletten oder –«
    »Das hier hat sie genommen.« Elsie hielt Samantha die leere Flasche hin. Farmers Frauenfreund.
    Samantha zog die Brauen zusammen, während sie das Kleingedruckte auf dem Etikett las. ›Bringt garantierte Linderung bei Depressionen, Niedergeschlagenheit und Angstgefühlen, unter denen werdende Mütter häufig leiden‹.
    »Wieviel davon hat sie genommen, Elsie?«
    »Gestern abend war die Flasche noch voll.«
    Samantha starrte auf das Etikett. Frauenfreund. Depressionen, Angstgefühle … »Wissen Sie, wann sie das Zeug gekauft hat?«
    »Diese Flasche, meinen Sie? Gestern, glaub’ ich. Als die andere leer war.«
    Ruckartig hob Samantha den Kopf. »Die andere? Hat Mrs. Gant dieses Mittel schon vorher einmal genommen?«
    »Sie nimmt es schon eine ganze Weile, Doktor. Ich glaube, sie fing damit an, als sie Cornelius erwartete. Wird sie wieder gesund?«
    »Ja, Elsie«, antwortete Samantha ruhig. »Sie wird wieder gesund. Aber jetzt brauchen wir erst einmal viel schwarzen Kaffee. Stark muß er sein.«
    Elsie rannte aus dem Zimmer, froh, etwas tun zu können, und Samantha studierte nochmals das Etikett auf der Flasche. Sie hatte unter ihren Patientinnen schon mehrere Frauen gehabt, die mit Farmers Frauenfreund üble Erfahrungen gemacht hatten. Das Mittel enthielt einen hohen Zusatz von Opium, aber das war auf dem Etikett nirgends vermerkt. Ebensowenig gab es eine Mahnung zu vorsichtiger Anwendung.
    Sie schaute zu der schlafenden Hilary hinunter und fühlte tiefe Beklommenheit.
    Eine Stunde lang arbeiteten Samantha und Elsie unermüdlich, um Hilary {353} wieder zum Leben zu erwecken. Sie massierten ihr Füße und Hände, bewegten ihre Arme und Beine, klatschten ihr auf die Wangen, um sie zu wecken. Hilary tauchte auf und versank wieder; ihre Lider flatterten; sie stöhnte. Samantha hielt in ihren Bemühungen nur inne, um das Herz abzuhören. Der Pulsschlag erhöhte sich. Langsam begann Hilary normal zu atmen, der bläuliche Schimmer der Lippen verblich.
    Als Hilary wach wurde, schob Samantha ihr einen Arm unter die Schultern, um sie hochzuhalten, und flößte ihr langsam den starken Kaffee ein.
    Hilary hustete. »O Gott, ich fühle mich gräßlich. Was ist denn passiert?«
    »Du bist die Treppe hinuntergefallen.«
    »Was? Das weiß ich überhaupt nicht mehr …«
    »Zum Glück warst du so berauscht, daß du wie eine Gummipuppe gefallen bist. Du hättest dir das Genick brechen können.«
    »Berauscht?« Hilary bemühte sich, ihren Blick auf Samanthas Gesicht zu konzentrieren.
    »Farmers Frauenfreund. Du hast die ganze Flasche getrunken.«
    Hilary stöhnte. »Ich wachte auf, weil ich so wahnsinnige Kopfschmerzen hatte. Wahrscheinlich habe ich überhaupt nicht aufgepaßt, wieviel ich genommen habe.«
    »Hier, trink den Kaffee. Der bringt dich wieder auf die Beine. Wir müssen dem Opium entgegenwirken.«
    »Opium? Ich habe doch gar kein – aber nein, so was würde ich niemals –«
    »Nein, das weiß ich. Nicht absichtlich. Aber dein Gesundheitssaft enthält eine Riesenmenge Opium.«
    Hilary blinzelte verwirrt. Sie trank von dem Kaffee und leckte sich die Lippen. »Nein, Samantha, da täuschst du dich. Es ist ein rein pflanzliches Mittel. Das steht doch auf der Flasche … O Gott, Samantha, mir ist so elend. Habe ich das Kind verloren?«
    Samantha sah sie verblüfft an. Hilary hatte ihr nicht gesagt, daß sie schwanger war. »Nein, dem Kind geht es gut, Darling.«
    Als Hilary die Augen wieder zufielen,

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