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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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dich werd’ ich bestimmt schrecklich einsam sein. Ich werde jeden Tag, wo du weg bist, für dich beten.«
    Er hielt sie fest an sich gedrückt und spürte eine neue fremde Erregung in sich hochsteigen. Die alte brüderliche Zuneigung hatte einem neuen, aufregenden Gefühl Platz gemacht. Sie war noch keine zwölf Jahre alt, aber in ein paar Jahren, wenn er sein Glück gemacht hatte und als Gentleman zu ihr zurückkehrte, würde sie eine Schönheit sein, und dann würde sie ihm gehören. Freddy drückte sein Gesicht in ihr weiches Haar und murmelte:
    »Wart’ auf mich, Sam. Geh’ ja nicht von hier fort, eh’ ich wieder da bin.«

10
    Es war zwei Tage vor Ostern, ein grauer, regnerischer Morgen. Samantha stand in der eiskalten Küche und blies in die Hände, während sie darauf wartete, daß das Wasser endlich kochen würde.
    Isaiah Hawksbill stand an der Tür und beobachtete sie, ohne daß sie es bemerkte.
    In wenigen Wochen würde sie zwölf Jahre alt werden; der kindlich magere Körper begann schon, sich auszufüllen und zu runden. Bei ihrem Anblick erwachten Gefühle in ihm, die er längst tot geglaubt hatte; ein brennendes Verlangen und eine tiefe Sehnsucht, sie in die Arme zu nehmen und an sich zu drücken. Nur einmal, vor vier Monaten, an dem Tag, als Freddy fortgegangen war, hatte sie ihm erlaubt, sie zu umarmen. Sie war außer sich gewesen vor Schmerz, hatte schluchzend gedroht, dem Jungen zu folgen; da hatte Hawksbill sie tröstend in die Arme genommen und ihr immer wieder versichert, daß Freddy sein Versprechen halten und eines Tages zurückkehren würde. Ganz langsam hatte sie sich beruhigt.
    {63} Aber seit jenem Tag hatte sie sich verändert. Sie war still und verschlossen geworden und gestattete ihm keinerlei Zärtlichkeiten mehr.
    »Mr. Hawksbill!« rief sie. »Der Tee ist gleich fertig. Ach, da sind Sie, Sir. Ich hab’ Sie gar nicht gesehen.«
    Er trat in die Küche. »Laß ihn noch ein bißchen ziehen, Kind, und gib ein bißchen Kamille dazu. Ich spüre heute meine Gelenke.«
    Nachdem er gegangen war, schlang Samantha ihre Arme fest um ihren Körper und stampfte mit den Füßen, um sich warm zu machen. Sie spürte ein merkwürdiges schmerzhaftes Ziehen im Bauch, das sie schon seit dem frühen Morgen beunruhigte. Zweimal war sie schon zum stinkenden Plumsklo hinausgelaufen, weil sie meinte, Durchfall zu haben, aber es war gar nichts passiert. Das Rumoren in ihrem Unterleib wurde so stark jetzt, daß sie ein drittesmal hinausrannte; wieder vergeblich. Doch als sie aufstand, spürte sie eine warme Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln. Verblüfft schaute sie hinunter und sah im spärlichen Licht, das durch die Ritzen der Bretter sickerte, einen Blutfleck auf dem Boden.
    In hellem Entsetzen rannte sie zum Haus zurück, stürzte ins Arbeitszimmer und schrie: »Ich bin krank. Ich sterbe.«
    Erschrocken rutschte der alte Hawksbill von seinem Hocker. »Was ist geschehen?«
    »Ich muß sterben, Mr. Hawksbill.« Sie klammerte sich an ihn. »Bitte bringen Sie mich nicht ins Krankenhaus.«
    Der Alte sagte einen Moment lang gar nichts. Er war sich nur des warmen jungen Körpers bewußt, der sich an seinen alten schmiegte. Dann legte er Samantha die Hände auf die Schultern und schob sie ein wenig zurück.
    »Was ist denn los, Kind?«
    Ihr Gesicht war kreideweiß. »Ich verblute.«
    »Du was?«
    »Ich hab’s gerade erst gemerkt. Auf dem Klo. Bitte, bitte geben Sie mir eine Arznei, Mr. Hawksbill. Geben Sie mir was gegen die Blutungen.«
    Er wandte sich ab. Seine Stimme klang erstickt, als er sagte: »Du mußt nach Hause gehen, Kind.«
    »Aber warum denn?« Sie schluchzte jetzt ganz offen.
    Hawksbill lehnte sich an seinen Arbeitstisch und sah sie mitleidig an. »Ihr habt doch eine Haushälterin, nicht wahr? Geh zu ihr und sprich mit ihr, Kind.«
    »Aber sie schickt mich bestimmt ins Krankenhaus.«
    »Nein, Samantha. Geh nach Hause. Rede mit der Frau. Sie weiß, was zu tun ist. Glaub mir, Kind, es ist nichts Schlimmes.«
    {64} Isaiah Hawksbill wußte, daß die Leute vom St. Agnes Crescent ihn einen Kinderschänder nannten. Etwas Gemeineres als einen erwachsenen Mann, der sich an unschuldigen Kindern verging, gab es auf der ganzen Welt nicht, und das Schlimme war, daß er in Anbetracht dessen, was er einmal getan hatte, den Leuten ihre Angst nicht verübeln konnte, obwohl sie ungerechtfertigt war.
    Während er jetzt allein in der Küche am Feuer saß, eine Decke über den Knien, eine Schale warmer Milch auf dem

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