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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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fiel auf sie, und die Leute rundherum wichen zurück. Sie sah auf. Isaiah Hawksbill stand neben ihr. »Wohin bringen sie ihn, Mr. Hawksbill?«
    Er blickte mit zusammengekniffenen Augen auf Freddys verletztes Bein. »Ins Krankenhaus.«
    Erinnerungen an den Besuch im North London Hospital wurden wach, gräßliche Bilder wurden plötzlich wieder lebendig.
    »Nein!« rief sie. »Das dürfen sie nicht.« Sie warf sich schützend über Freddy.
    »Beruhige dich«, sagte Hawksbill und faßte nach ihrer Hand.
    »Nein!« schrie sie laut. »Nicht ins Krankenhaus. Nicht ins Krankenhaus!«
    »Na los, Mister«, sagte der eine der Männer mit der Tür. »Tun Sie die Kleine da weg. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Isaiah Hawksbill sah stumm zu dem kleinen Mädchen hinunter, das mit dünnen Armen die kräftigen Schultern des verletzten Jungen umschlungen hielt und ihn mit tränennassem Gesicht flehend anblickte. Gefühle, die er längst tot geglaubt hatte, rührten sich in ihm.
    {57} »Ich kümmere mich um den Jungen«, hörte er sich sagen. »Kommen Sie mit.«
    Einen Moment lang leuchtete Samanthas Gesicht auf. Sie sprang auf, nahm Freddys Hand und ging neben den beiden Männern, die die Tür trugen, durch die Hintergasse bis zum Haus des alten Hawksbill. Drinnen befahl ihnen der Alte, den Jungen in die Wohnstube zu tragen. Er zog ein Leintuch von einem breiten Sofa und sagte: »Legen Sie ihn hier hin.«
    Die Männer kippten Freddy wie eine Ladung Kohlen von der provisorischen Trage und machten sich davon. Der alte Hawksbill legte den bewußtlosen Jungen auf den Polstern gerade und beugte sich über ihn, um ihn zu untersuchen.
    »Ich weiß nicht, ob ich da was tun kann, Kind«, sagte er, sich aufrichtend.
    »Jetzt hol erstmal ein frisches Leintuch und reiß es in Streifen, und dann bring mir heißes Wasser.«
    Beim Waschen der Wunde hatte Hawksbill mit seinen von der Gicht verkrümmten Fingern große Mühe.
    »Warten Sie, das kann ich doch machen«, sagte Samantha, und als er ihr das Tuch gab, kniete sie neben Freddy nieder und säuberte mit liebevoller Behutsamkeit die Wunde.
    Hawksbill ging in sein Arbeitszimmer und kam mit mehreren Behältern mit zerstoßenen Kräutern und Wurzelsud zurück. Samantha gab die Arzneien vorsichtig auf den bloßgelegten Knochen und die zerrissenen Muskelfasern. Isaiah Hawksbill, der neben ihr stand und ihr zusah, war erstaunt, mit welcher Geschicklichkeit und ruhiger Fürsorge sie zu Werke ging.
    Gemeinsam unternahmen sie es, den gebrochenen Knochen zu schienen. Sie zogen das Bein der Länge nach auseinander und schoben es dann, zwischen zwei starre Bretter eingeklemmt, vorsichtig wieder zusammen. Danach zog Samantha unter der Anleitung des Alten das Fleisch und die Haut zusammen und klebte Pflaster darüber, damit die Wunden nicht wieder aufreißen konnten.
    Als sie fertig waren, sank Hawksbill erschöpft in einen Sessel, während Samantha sich das feuchte Gesicht wischte und in die Küche ging, um eine Kanne Tee aufzugießen. Draußen war es dunkel geworden, und in der ganzen langen Zeit hatte Freddy nicht ein einziges Mal das Bewußtsein wiedererlangt.
    »Wir haben das Menschenmögliche getan, Kind«, sagte Hawksbill müde.
    »Nun können wir nur noch auf Gottes Hilfe vertrauen.«
    Samantha trank einen Schluck Tee. »Er wird doch wieder gesund, oder?«
    {58} Hawksbill schüttelte bedenklich den Kopf. »Ich will dich nicht belügen, Samantha. Es steht schlecht um ihn. Die meisten Menschen sterben an komplizierten Knochenbrüchen.«
    »Aber wieso? Wir haben doch die Knochen eingerichtet und geschient und die Wunde zugemacht.«
    »Weil sich ganz sicher eine
Sepsis
entwickeln wird, und dagegen gibt es kein Mittel.«
    »Was ist Sepsis?«
    »Gift, Kind, Entzündung. Niemand weiß, wodurch sie hervorgerufen wird und darum weiß auch niemand, was man gegen sie unternehmen kann.« Hawksbill schwieg. Er hatte kürzlich von einem jungen Quäker aus Schottland gehört, einem gewissen Joseph Lister, der behauptete, ein Heilmittel gefunden zu haben. Der Alte schüttelte den Kopf. Er konnte nicht recht daran glauben.
    Samantha schaute zu Freddy hinüber, der sachte atmend mit geschlossenen Augen auf dem Sofa lag. »Ich passe auf ihn auf«, sagte sie leise.
    Die folgenden Tage waren ein einziger Angsttraum. Freddy bekam hohes Fieber und warf sich im Delirium rastlos auf dem Sofa herum. Samantha saß stundenlang bei ihm, ihre kühle Hand auf seiner brennenden Stirn, und es schien wirklich, als wirke ihre

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