Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
hat, wie er Sie ansah. Das sind keine eitlen Spekulationen, Samantha. Es wird auf Ihre Laufbahn als Medizinerin entscheidenden Einfluß haben, wen Sie einmal heiraten. Mark würde Sie, denke ich, unterstützen.«
    Er kam plötzlich aus dem Takt und blieb schwankend stehen.
    »Dr. Masefield, fühlen Sie sich nicht wohl?«
    {167} Er stützte sich auf Samantha. »Vielleicht sollten wir uns einen Moment setzen.«
    Sie kehrten zu ihrem Platz unter den Palmen zurück. Sein Hinken war jetzt auffallender, und er wischte sich ganz offen das Gesicht mit dem Taschentuch.
    »Kann ich Ihnen irgend etwas holen, Dr. Masefield?«
    Er wedelte abwehrend mit der Hand. »Ich fühle mich schon den ganzen Tag nicht recht wohl. Vielleicht bekomme ich eine Erkältung. Am liebsten würde ich nach Hause fahren, sobald dieser kleine Schwächeanfall vorüber ist.«
    Zehn Minuten später half sie ihm die eisglatte Treppe hinunter. Der Portier, der glaubte, Joshua hätte zuviel getrunken, legte ihm einen Arm um die Körpermitte und stützte ihn, als er in den Wagen stieg. Samantha kletterte nach ihm hinein und zog eilig die Decke hoch. Joshuas Gesicht war von einer erschreckenden Blässe.
    Die ganze Heimfahrt wurde er von Schüttelfrost geplagt, doch zu Hause angekommen, ließ er sich von ihr nicht die Treppe hinaufhelfen, erklärte vielmehr, die kalte Luft hätte ihn erfrischt, und er fühle sich viel wohler. Er wünschte Samantha gute Nacht, dankte ihr für ihre Begleitung und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.
    Langsam stieg Samantha die Treppe hinauf. Insgesamt, sagte sie sich, war es ein sehr schöner Abend gewesen. Sie gestand sich sogar ein, daß es sie reizen würde, Mark Rawlins wiederzusehen.
    Unter Estelles Tür schimmerte noch Licht. Wahrscheinlich war Estelle extra aufgeblieben, um zu hören, wie es gewesen war, und um Samanthas Kleid zu sehen. Doch als Samantha klopfte und eintrat, sah sie Mrs. Wiggen über das Bett gebeugt.
    »Was ist?« fragte sie erschrocken und eilte näher.
    Estelle öffnete die Augen. »Ach, Samantha …« flüsterte sie. »Ich bekomme keine Luft. – Oh, das Kleid ist wunderschön. Die Farbe haben Sie wirklich gut ausgesucht, sie bringt Ihre Augen herrlich zur Geltung.«
    Joshua hat die Farbe ausgesucht, nicht ich, dachte Samantha, während sie das Chinchillacape am Fußende des Bettes niederlegte und sich zu Estelle setzte.
    »Wie war der Ball? Erzählen Sie.«
    Sich zur Heiterkeit zwingend, berichtete Samantha in aller Ausführlichkeit, beschrieb die Roben der Damen, den glanzvollen Saal, das üppige Büffet, doch je länger sie sprach, desto bedrückter fühlte sie sich. Sie sagte nichts von Joshuas Verschwinden, von seiner Unhöflichkeit gegen einen alten Freund, von ihrem überstürzten Aufbruch.
    {168} Estelle schloß die Augen und lächelte träumerisch. »Und Joshua?« sagte sie leise. »Hat er sich amüsiert? Haben Sie mit ihm getanzt, Samantha? Er ist ein wunderbarer Tänzer, nicht wahr?«
    Samantha wandte sich ab, weil sie fürchtete, Estelle könnte ihr ansehen, wie ihr zumute war. »Ich mußte ihn praktisch von der Tanzfläche schleppen. Ich war völlig erschöpft, aber er hätte die ganze Nacht durchtanzen können, glaube ich.«
    »Das ist typisch für Joshua. Auf jedem Fest, wo wir waren, haben sich die Frauen um ihn gerissen, weil er so ein hervorragender Tänzer ist. Ach, danke Samantha, daß Sie ihm die Möglichkeit gegeben haben, das wieder einmal zu genießen.«
    Sie hielt es nicht mehr aus. Sie rannte aus dem Zimmer und stolperte tränenblind die Treppe hinauf und fiel oben neben ihrem Bett auf die Knie. Aber sie konnte auch im Gebet keinen Trost finden. Sie murmelte die Worte, die sie in ihrer Kindheit gelernt hatte, und spürte nichts als Kälte und Angst. Sie stellte sich Gott so vor, wie ihr Vater gewesen war – fern und strafend. Sie hörte seine strenge Stimme: Für wen betest du, Samantha Hargrave? Für diese arme Frau da unten oder für dich selbst?
    Für Estelle, schrie es schuldbewußt in ihr. Sie drückte ihr Gesicht in das Kissen, um das Schluchzen zu ersticken. Ich bete für Estelle! Ich wünsche mir aus aufrichtigem Herzen, daß sie wieder gesund wird.
    Aber das unerbittliche Gesicht Gottes, der aussah wie Samuel Hargrave, verdammte sie. Du kannst dich durch Gebete nicht reinwaschen, Weib. Es gibt nur einen Weg, dich von der Sünde des Ehebruchs zu reinigen, die du im Geist begangen hast –
    Von unten kam ein lautes Poltern.
    Samantha riß den Kopf in die Höhe

Weitere Kostenlose Bücher