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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erneuern. Einmal war sie zu ihr gelaufen, weil sie gemeint hatte, ihr helfen zu können, und hatte die Symptome gesehen; die Schweißausbrüche, die Unrast, das Erbrechen, die Magenkrämpfe, die unerträglichen Schmerzen.
    »Können Sie sich denn nicht einer Kur unterziehen?« fragte sie jetzt leise.
    Er lachte bitter. »Dafür gibt es keine Kur. Da hilft nur eiserne Abstinenz, und glauben Sie mir, Samantha –« Joshua drehte den Kopf zur Seite, so daß ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander getrennt waren – »ich habe es versucht. Es war grauenvoll. Es war so schrecklich, daß ich nach einer Weile nur noch den Tod herbeisehnte.« Er sprach stockend, als mache es ihm Mühe, die Worte hervorzubringen. »Haben Sie eine Ahnung, wie das ist, wenn man versucht, davon loszukommen, Samantha? Das erste Stadium ist beinahe noch erträglich: Reizbarkeit, tränende Augen, ständiges Gähnen. Aber darauf folgt sehr schnell die nächste Phase, und die ist qualvoll. Man hat das Gefühl, daß jeder Nerv bloßgelegt ist und ständig gereizt wird. Man bekommt Muskelkrämpfe, man schwitzt aus allen Poren und wird von dauernden Magenkrämpfen gequält. Gleichzeitig tragen Geist und Körper einen erbitterten Kampf aus. Man weiß, daß man das Gift nicht mehr anrühren darf, aber gleichzeitig schreit der Körper danach. Man wird fast wahnsinnig dabei. Glauben Sie mir, Samantha, ich habe es versucht.«
    Sie sah ihn fest an. »Haben Sie es heute abend auch versucht? Wollten Sie aufhören?«
    Er entzog ihr seine Hand und sprang auf. »Ja.«
    »Warum?«
    {173} »Ich hatte meine Gründe.«
    Samantha blieb auf der Fußbank sitzen, während Joshua, der jetzt nicht mehr hinkte, unruhig hin und her ging.
    »Das letzte Mal habe ich vor zwei Jahren versucht aufzuhören. Damals schaffte ich es nicht, aber ich glaubte, diesmal würde es anders sein, weil –« Er brach ab. »Jetzt wissen Sie den wahren Grund, weshalb ich aus Philadelphia weggegangen bin. Einige meiner Freunde hatten erkannt, was mit mir los war. Wenn meine Patienten etwas gemerkt hätten …« Er schüttelte den Kopf. »Sie können sich nicht vorstellen, welch irrsinnige Anstrengung es ist, sich ständig unter Kontrolle zu halten. Jede Minute meines Lebens ist ein Kampf. Ich mußte weg, ehe es zu einem Zusammenbruch kam. Estelles Krankheit bot mir den Vorwand.«
    Er ging zum Tisch und schenkte sich einen Brandy ein. Samantha sprang auf. »Nicht!«
    Er spülte den Alkohol mit einem Zug hinunter.
    »Joshua!« rief sie entsetzt. »Doch nicht auf das Opium!«
    Er lächelte voller Selbstverachtung. »Warum nicht? Mein Körper hält es aus.«
    »Seien Sie doch nicht so hart gegen sich selbst, Joshua. Es ist nicht Ihre Schuld.«
    Sein Gesicht wurde plötzlich sehr weich. Er kam auf sie zu und strich ihr mit einer Hand leicht über die Wange. »Ach, Samantha«, sagte er leise.
    Sie schloß unwillkürlich die Augen.
    »Ich habe Ihnen nie gesagt«, fuhr er beinahe zaghaft fort, »wie stolz ich auf Sie bin. Ich muß gestehen, als Sie bei mir anfingen, hatte ich gewisse Zweifel. Sie wirkten so jung, so kindlich noch. Aber Sie haben sich verändert, Samantha. Sie sind erwachsen geworden, selbstsicher, Sie wissen genau, was Sie wollen. Lucerne hat Ihnen gutgetan.«
    »Nicht Lucerne«, entgegnete sie leise. »Sie haben mir gutgetan, Joshua. Ich liebe Sie.«
    Sein Gesicht zuckte wie in innerem Kampf, dann riß er sie in seine Arme und drückte sie an sich. »Ich liebe dich auch«, murmelte er. »So lange schon.«
    Samantha hätte am liebsten gleichzeitig geweint und gelacht. Statt dessen blieb sie still und reglos in seinen Armen, um diesen Moment auszukosten, von dem sie so oft geträumt hatte. Und als er sie küßte, war es ganz selbstverständlich, daß sie ihre Arme um seinen Hals legte und ihn wiederküßte.
    Aber plötzlich stieß er sie von sich. »Nein! Ich darf das nicht tun. Ich habe {174} kein Recht dazu. Ich werde dich nicht mit mir in den Abgrund ziehen!« Er trat von ihr weg, und sie fühlte sich kalt und verlassen.
    Mit dem Rücken zu ihr, den Kopf gesenkt, stand er da. »Ich habe nicht das Recht dazu«, sagte er wieder. »Ich liebe dich zu sehr, Samantha. Ich darf dir das nicht antun, dich in diesen grauenvollen Abgrund hinunterzerren.«
    Sie trat an ihn heran und legte beide Hände auf seine Schultern. »Aber das tust du doch gar nicht, Joshua. Du machst mich nur glücklich.«
    »Ach, du verstehst mich nicht«, erwiderte er gequält. »Samantha –« Er drehte sich um.

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