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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Kamin. Die leere Flasche stand neben ihm auf einem kleinen Tisch.
    »Es tut mir leid, was ich da drüben angerichtet habe«, sagte er schließlich, ohne aufzusehen. Seine Stimme war tonlos. »Bitte verzeihen Sie mein Verhalten. Sie können sich nicht vorstellen, in welche Panik ich geriet, als ich – o Gott, es war entsetzlich.«
    Samantha holte sich ein Fußbänkchen und setzte sich neben ihn. Die Arme auf die Seitenlehnen seines Sessels gestützt, fragte sie leise: »Fühlen Sie sich jetzt wenigstens etwas besser?«
    Er nickte. »Es hat etwas geholfen. Heute. Aber was wird morgen –«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Dr. Masefield. Gleich in aller Frühe gehe ich zu Dr. DeWinter.«
    »Das kann ich Ihnen nicht zumuten.«
    Erst jetzt schaffte er es, sie anzusehen. Seine Pupillen hatten wieder normale Größe, er schwitzte nicht mehr, aber sein Gesicht war immer noch aschgrau. »Ich kann mir vorstellen, wie sehr Sie mich verachten.«
    {171} »Sie beleidigen mich, Dr. Masefield, wenn Sie glauben, ich würde jetzt den Stab über Sie brechen. Wenn Sie schon zu sich selbst kein Vertrauen haben, dann haben Sie doch Vertrauen zu mir.«
    Er zuckte zusammen, als bereiteten die Worte ihm körperlichen Schmerz. »Das ist sehr ehrenwert von Ihnen, Miss Hargrave«, sagte er trocken. »Mich einfach als einen ärztlichen Notfall zu behandeln. Aber das trifft nicht die Wahrheit. Ich bin ein heruntergekommenes Subjekt, Miss Hargrave, und ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht, etwas Verachtenswerteres als einen Morphiumabhängigen gibt es nicht auf der Welt.«
    Samantha berührte leicht seinen Arm. »Wie ist es gekommen?« fragte sie leise.
    Joshua blickte wieder in den dunklen Kamin. Seine Stimme war ausdruckslos, ohne alle Lebendigkeit: »Es geschah vor zwanzig Jahren in der ersten Schlacht bei Bull Run. Als der Sezessionskrieg ausbrach, trat ich als Feldarzt ins Heer der Union ein. Kurz danach, der Krieg war gerade zwei Monate alt, erwischte mich bei Bull Run eine Kugel im Oberschenkel.«
    Er seufzte und legte seine Hand über Samanthas. »Sie zerschmetterte den Oberschenkelknochen. Fünf Männer mußten mich festhalten, während der Arzt Salpetersäure in die Wunde goß. Zum Glück verlor ich das Bewußtsein, ehe er daran ging, die Kugel herauszuholen. Narkose gab es damals im Feld nicht. Mir ist heute noch rätselhaft, wie ich überhaupt überlebt habe. Die folgenden Wochen waren die Hölle. Zur Linderung der Schmerzen gab man mir Morphium. Damals wußte niemand, daß man davon abhängig werden kann. Es wurde ganz sorglos verabreicht, und viele Männer kamen als Süchtige aus dem Krieg zurück. Die ›Soldatenkrankheit‹ nannte man die Sucht.«
    Er hielt einen Moment inne. »Wahrscheinlich sollte ich mich glücklich preisen. Man rettete mir das Bein. Und als das Heer weiterzog, nahm man mich mit. Normalerweise ließ man die Verwundeten, die nicht aus eigener Kraft marschieren konnten, einfach zurück. Aber da ich Arzt war, war ich wichtig. Also schleppte man mich mit. Ich erholte mich langsam. Ich war in Gettysburg dabei, als endlich die Wende in diesem Krieg eintrat. Aber um diese Zeit war ich bereits rettungslos abhängig.«
    Er drehte den Kopf und sah sie an. »Sie können sich nicht vorstellen, welch ein Alptraum jeder einzelne Tag meines Lebens ist.«
    Samantha sah auf seine große, kräftige Hand hinunter, die die ihre festhielt. Sie wußte mehr über Sucht, als er vermutete. Sie hatte erlebt, wie {172} Opium und Morphium freie Menschen zu willenlosen Sklaven ihrer Sucht machten. Zwei Lehrerinnen in Playells Pensionat waren suchtkrank gewesen. Sie hatten ohne Dr. Richters Nerventonikum nicht mehr leben können. Immer begann es auf die gleiche Weise: Eine Frau ging in die Apotheke, um sich ein Mittel gegen Menstruationsschmerzen zu besorgen. Sie kaufte irgendeine Mixtur in einer attraktiv aufgemachten Flasche, deren Etikett sofortige Erleichterung garantierte. Daß die Erleichterung einzig einem hohen Zusatz an narkotischen Substanzen zu verdanken war, wurde auf dem Etikett nirgends erwähnt. Man brauchte nur jeden Tag ein paar Teelöffel voll von dem Mittel zu nehmen, und schon fühlte man sich wie neugeboren. Doch der Tag des Erwachens kam, wenn die Frau das Mittel absetzen wollte und mit Entsetzen spürte, daß sie das nicht mehr konnte. Mehrmals hatte Samantha, wenn sie nachts in ihrem Bett gelegen hatte, das Weinen und die verzweifelten Schreie der Lehrerin gehört, die vergessen hatte, ihren Vorrat zu

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