Sturmkaempfer
und in den Regalen des Arbeitszimmers herrschte die Ordnung eines sterbenden Mannes, der sie nicht mehr nutzte. An einer Wand befanden sich
zwei Reihen detailgetreuer Bilder, zwölf Ikonen, die die Götter des Höheren Kreises zeigten. Bahl lächelte bei ihrem Anblick. Sie waren der Stolz und die Freude des Abtes, herausragende Bilder, die er während eines langen Lebens gesammelt hatte. Im nächsten Raum, der Bettkammer des Abtes, stand der Prior am Fußende dee Lagerstatt. Seine dürre Gestalt und der geschorene Kopf verliehen ihm das Aussehen eines Geiers, der auf eine Mahlzeit herabsah. Er blickte mit einem wütenden Gesicht zur Tür, als er hörte, dass sie geöffnet wurde. Dann ging er aber sofort in eine Verbeugung über, nachdem er Lord Bahl erkannt hatte.
Der Mönch, der neben dem Abt saß, offensichtlich der Heiler des Klosters, hatte sich weniger gut im Griff und starrte ihn einen Augenblick lang mit offenem Mund an, bevor er es dem Prior nachtat.
»Hinaus«, befahl Bahl so ruhig wie bestimmt. Der Prior senkte kurz den Kopf und scheuchte den Heiler mit einer scharfen Geste hinaus. Bahl hörte, wie sie das Arbeitszimmer verließen und trat dann an die Seite des Bettes. Er schaute daran entlang zum Kamin. Durch das Feuer konnte er den Prior auf dem Steinboden vor einem Bogen knien sehen, der an der hinteren Wand hing. Es war die Nachahmung eines Gebetes, durch die es ihm möglich sein würde, jedes Wort zu hören.
Das Gesicht des Lords der Farlan wurde weich, als er sich seinem alten Freund zuwandte, der in ein Nest aus Laken gewickelt dalag, das nach Lavendel, Krankheit und Alter roch. Auf dem Tisch neben dem Bett, auf dem sich in vergangenen Jahren Rollen und Bücher gestapelt hatten, standen nun Schalen mit Arznei und einer lauwarmen Brühe.
Ein angestrengtes Husten rief ihn zu sich. Bahl ging in die Hocke und lauschte. Da erschien ein schwaches Lächeln auf dem Gesicht des Abts. Bahl zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln
und verbarg dahinter seinen Schrecken über die beinahe durchsichtige Haut, die so verwelkt wirkte.
»Vergebt mir, mein Lord«, wiederholte er mit tonlosem Flüstern.
»Was soll ich vergeben?«
»Meine Gebrechlichkeit, sie beschämt mich.«
Bahl seufzte. In seiner Jugend war der Abt groß und kräftig gewesen. Ihn nun so klein und verlebt zu sehen sorgte dafür, dass Bahl selbst die Last der Jahrhunderte auf seinen Schultern spürte. »Das ist keine Schande. Die Zeit holt uns alle ein.«
»Ich weiß.« Der Abt machte eine Pause, um Luft zu holen. Er versuchte die Laken wegzuschieben, aber nicht einmal dazu reichte seine Kraft mehr aus. »Ich hatte nicht vor, so abzutreten.«
»Die meisten Männer träumen davon, alt und im Kreise ihrer Familie und Freunde zu sterben.«
»Ein einziger Freund, das ist nicht viel.«
Bahl konnte nicht sagen, ob darin ein echtes Gefühl lag. Der Abt musste sich anstrengen, um überhaupt einen Laut von sich zu geben, den sein Freund verstehen konnte.
»Es war deine eigene Entscheidung, hierherzukommen. Ich weiß, dass du es nicht wirklich bereust. Das Gute, das du tatest, war es wert, denke ich, und ich habe geschworen, dass du nicht allein durch das Tor zu gehen hättest.«
»Cerrat.« Er spie das Wort beinahe aus, und doch wurde es halb von einem schmerzhaften Krampf verschluckt, bei dem sich jeder Muskel im Körper des Abtes anspannte. Als er dagegen ankämpfte, bleckte er in einer angestrengten Grimasse die Zähne. Vor vielen Jahren hatte er in diesem Kloster die Mantras gelehrt, wie man Schmerzen hinter sich ließ. Die Geistlichen waren für die Farlan Vorbilder in Sachen Tapferkeit und Widerstandskraft. Ihre Leben waren davon bestimmt, ihren Regimentern als Beispiel zu dienen. Nur die stärksten überlebten. Bahl
konnte das leichte Zucken im Gesicht des Abtes sehen, als er sich die heiligen Worte erneut im Geiste vorsprach.
»Cerrat, ist das ein Ort, an den man dich bringen soll?« Bahl lehnte sich zurück und sprach lauter. »Prior, gib nicht vor, mich nicht zu hören. Ich schwöre dir, wenn ich dieses Bett verlassen muss, um dich zu holen, stirbst du noch vor dem Abt.«
Das erzielte die erwünschte Wirkung. Der Mann sprang auf die Beine und blickte über die Flammen des Feuers hinweg. Seine Fassung war verschwunden. In der Politik eines Klosters wurden Gewaltandrohungen selten eingesetzt.
»Cerrat, mein Lord? Er ist hier ein Novize und will ein Kaplan werden. Der Abt mochte den Jungen stets. Er ist ein hervorragender Schüler, wenn
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