Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
leuchteten die Pflanzen heller in der Nachmittagssonne. Schamweberin trug ein überraschend bescheidenes Kleid. Es hatte keine Ärmel und schien aus einer einzigen Bahn grüner Seide geschneidert zu sein, bedeckte aber alles Wesentliche.
» Lichtsang, mein Lieber«, sagte sie und lächelte. » Du besuchst eine Dame in ihrem Heim? Wie bezaubernd kess. Genug des Wortgeplänkels. Komm, wir ziehen uns ins Schlafzimmer zurück.«
Er lächelte und hielt ein Blatt Papier hoch, während er sich ihr näherte.
Zögerlich nahm sie es entgegen. Es war mit farbigen Punkten bedeckt– offenbar stammte es von einem Kunstschreiber. » Was ist das?«, fragte sie.
» Ich konnte mir vorstellen, wie unser Gespräch beginnt«, sagte er. » Und daher habe ich es uns erspart, es bis zum Ende führen zu müssen. Ich habe das hier vorher schreiben lassen.«
Schamweberin hob eine Braue und las: »› Zu Beginn sagt Schamweberin etwas milde Zweideutiges.‹« Sie sah ihn an. » Milde? Ich habe dich in mein Schlafzimmer eingeladen. Das würde ich unverhohlen nennen.«
» Ich habe dich unterschätzt«, meinte Lichtsang. » Bitte lies weiter.«
»› Dann sagt Lichtsang etwas, um sie abzulenken. Das ist so unglaublich klug und bezaubernd, dass sie von seiner Brillanz verblüfft ist und einige Minuten lang nichts erwidern kann…‹ Also ehrlich, Lichtsang, muss ich das wirklich weiterlesen?«
» Das ist ein Meisterwerk«, sagte er. » Das Beste, das ich je geschaffen habe. Bitte. Der nächste Teil ist wichtig.«
Sie seufzte. »› Schamweberin sagt etwas über Politik, das schrecklich langweilig ist, aber sie gleicht es dadurch aus, dass sie mit den Brüsten wackelt. Danach entschuldigt sich Lichtsang dafür, dass er in letzter Zeit so unnahbar war. Er erklärt ihr, dass er einiges zu erledigen hatte.‹« Sie hielt inne und sah ihn an. » Soll das wirklich heißen, dass du endlich bereit bist, an meinen Plänen mitzuwirken?«
Er nickte. Neben ihnen entfernten einige Gärtner die Blumen. Sie kehrten zurück und errichteten um Lichtsang und Schamweberin ein Muster aus kleinen blühenden Bäumen, die in bauchigen Töpfen steckten; es war ein lebendiges Kaleidoskop mit den beiden zurückgekehrten Göttern in der Mitte.
» Ich glaube nicht, dass die Königin an einer Verschwörung zur Übernahme des Throns beteiligt ist«, sagte Lichtsang. » Davon bin ich überzeugt, obwohl ich nur einmal kurz mit ihr gesprochen habe.«
» Warum willst mich dann unterstützen?«
Er stand eine Weile schweigend da und genoss die Blütenpracht. » Weil ich dafür sorgen will, dass du sie nicht zerschmetterst. Genauso wenig wie der Rest von uns.«
» Mein lieber Lichtsang«, sagte Schamweberin und schürzte die leuchtend roten Lippen. » Ich versichere dir, dass ich harmlos bin.«
Er hob eine Braue. » Das bezweifle ich.«
» Tz, tz, tz. Du solltest es nie so deutlich betonen, wenn eine Dame ein klein wenig vom Pfad der vollkommenen Wahrheit abweicht. Wie dem auch sei, ich bin froh, dass du hier bist. Vor uns liegt viel Arbeit.«
» Arbeit?«, fragte er. » Das klingt nach… Arbeit.«
» Natürlich, mein Lieber«, meinte sie und ging fort. Sofort rannten die Gärtner herbei und stellten die kleinen Bäume beiseite, so dass sich vor den beiden Göttern ein Weg auftat. Der Meistergärtner stand persönlich dabei und leitete die neue Komposition wie der Dirigent eines botanischen Orchesters.
Lichtsang beeilte sich und schloss zu Schamweberin auf. » Arbeit«, wiederholte er. » Weißt du, wie meine Philosophie zu diesem Wort lautet?«
» Irgendwie habe ich den unbestimmten Eindruck, dass du sie nicht gutheißt«, meinte Schamweberin.
» Oh, das würde ich so nicht sagen. Arbeit, meine liebe Schamweberin, ist wie Dünger.«
» Sie stinkt?«
Er lächelte. » Nein. Ähnlich wie beim Dünger bin ich froh, dass es sie gibt; ich will nur nicht mitten drinstecken.«
» Das ist schade«, sagte Schamweberin. » Denn gerade hast du dich dazu bereiterklärt.«
Er seufzte. » Ich hatte tatsächlich geglaubt, ich rieche etwas.«
» Sei nicht so unerträglich«, sagte sie und lächelte einige Arbeiter an, die ihren Pfad mit Vasen voller Blumen säumten. » Das wird ein großer Spaß.« Sie drehte sich um zu ihm, und in ihren Augen glitzerte es. » Gnadenstern wurde letzte Nacht angegriffen.«
» Meine liebe Schamweberin, das ist ja eine Tragödie.«
Lichtsang hob eine Braue. Gnadenstern war eine prächtig sinnliche Frau, die einen verblüffenden Gegensatz zu
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