Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
betrachten sich nicht als Rebellen. Sie sitzen nicht da oben in ihren Bergen und warten auf den Tag, an dem sie im Triumphzug nach Hallandren zurückkehren können. Das hier ist nicht mehr ihre Heimat.«
» Diese Berggipfel sind doch kein richtiges Königreich.«
» Aber dort befinden sich die besten Lagerstätten für Mineralien, vier lebenswichtige Pässe in den Norden und die ursprüngliche Königsfamilie aus der Dynastie von Hallandren. Sie brauchen uns nicht, mein Freund.«
» Und was ist mit dem Gerede über die Dissidenten von Idris in dieser Stadt, die die Menschen gegen den Hof der Götter aufwiegeln?«
» Das sind nur Gerüchte«, sagte Lichtsang. » Aber falls ich mich geirrt habe und die unterdrückten Massen meinen Palast stürmen und mich auf dem Scheiterhaufen verbrennen sollten, werde ich ihnen zuvor mitteilen, dass du die ganze Zeit über Recht gehabt hast. Dann hast du das letzte Wort. Oder… nun ja, den letzten Schrei, denn in diesem Fall wirst du vermutlich neben mir in Flammen aufgehen.«
Llarimar seufzte. Lichtsang öffnete die Augen und stellte fest, dass ihn der Priester mit nachdenklicher Miene ansah. Der Geistliche tadelte Lichtsang nicht für dessen Leichtfertigkeit. Llarimar senkte nur die Arme und setzte seinen Kopfschmuck wieder auf. Er war der Priester, und Lichtsang war der Gott. Es gab keine Zurechtweisungen und öffentlichen Zweifel an seinen Worten. Wenn Lichtsang einen Befehl gab, dann würden ihn alle sofort ausführen.
Manchmal machte ihm das Angst.
Aber nicht heute. Heute war er verärgert. Die Ankunft der Königin hatte ihn dazu gebracht, über Politik zu reden– und dabei war der Tag bis dahin so gut verlaufen.
» Mehr Wein«, sagte Lichtsang und hob den Becher.
» Ihr könnt Euch nicht betrinken, Euer Gnaden«, merkte Llarimar an. » Euer Körper ist immun gegen alle Gifte.«
» Ich weiß«, erwiderte Lichtsang, als ein niederer Diener ihm den Becher nachfüllte. » Aber du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich ein guter Schauspieler bin.«
Kapitel 6
S iri verließ die Kutsche. Sofort wurde sie von Dutzenden Dienerinnen in Blau und Silber umschwärmt, die sie mitnahmen. Beunruhigt drehte sich Siri um und warf einen Blick zurück auf ihre eigenen Soldaten. Die Männer wollten ihr folgen, doch Treledees hob die Hand.
» Das Gefäß wird allein gehen«, verkündete der Priester.
Siri verspürte einen Stich der Angst. Jetzt war die Zeit gekommen. » Kehrt heim nach Idris«, sagte sie zu den Männern.
» Aber… Herrin«, erwiderte der Anführer.
» Nein«, widersprach Siri ihm. » Ihr könnt hier nichts mehr für mich tun. Bitte geht zurück und sagt meinem Vater, dass ich wohlbehalten hier angekommen bin.«
Der Anführer der Soldaten sah seine Männer unsicher an. Siri konnte nicht mehr erkennen, ob sie gehorchten oder nicht, denn die Dienerinnen schoben sie um eine Ecke in einen langen, dunklen Korridor. Sie versuchte, ihre Furcht nicht zu zeigen. Sie war zu ihrer Hochzeit in diesen Palast gekommen und hatte unbedingt einen guten Eindruck auf den Gottkönig machen wollen. Aber jetzt war sie voller Angst. Warum war sie nicht weggelaufen? Warum hatte sie sich nicht irgendwie aus dieser Sache herausgewunden? Warum hatte man sie nicht einfach in Ruhe gelassen?
Doch jetzt gab es kein Entkommen mehr. Während die Dienerinnen sie durch den Korridor in den riesigen, schwarzen Palast hineinführten, verschwand ihr früheres Leben hinter ihr.
Nun war sie allein.
Lampen mit farbigem Glas säumten die Wände. Siri wurde um einige Ecken und Biegungen des dunklen Korridors herumgeführt. Sie versuchte sich den Rückweg einzuprägen, hatte aber schon bald vollständig die Orientierung verloren. Die Dienerinnen umgaben sie wie eine Ehrengarde; sie waren zwar alle weiblich, aber von ganz verschiedenem Alter. Jede trug eine blaue Mütze, unter der das Haar lose auf die Schultern fiel, und sie hielten den Blick gesenkt. Ihre schimmernde blaue Kleidung saß locker, auch um die Brust herum. Siri errötete, als sie die tiefen Ausschnitte sah. In Idris hielten die Frauen den Hals bedeckt.
Schließlich mündete der schwarze Korridor in einen sehr großen Raum. Zögernd blieb Siri auf der Schwelle stehen. Auch hier waren die Steinwände schwarz, aber sie waren mit Seidenbehängen aus tiefem Kastanienbraun geschmückt. Alles in diesem Raum war kastanienbraun, vom Boden über die Möbel bis hin zu den Zubern, die mit Kacheln eingefasst waren und in der Mitte des Raumes
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