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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ein. »Er könnte auch unterwegs zu einer anderen Höhle sein. Einer, in der seine ganze Familie haust.«
    »Das wären eine Menge freier Wünsche.«
    Nun lachte sie aufrichtig, und es tat gut, das zu hören. Er wünschte, er hätte sie gleich noch einmal dazu bringen können. Stattdessen versanken sie einmal mehr in Schweigen, das schon bald so unangenehm wurde wie zu Beginn ihrer Flucht durch den Tunnel.
    Irgendetwas hatte Amaryllis ihm angetan. Aber was? Hatte er ihn verflucht? Vergiftet? Er hatte keine zusätzlichen Schmerzen neben jenen, die von der Folter zurückgeblieben waren. Abgesehen von dem erblindeten Auge fühlte er sich nicht einmal krank. Ein wenig schwindelig. Erschöpft, natürlich. Sogar hungrig – wahrscheinlich ein gutes Zeichen.
    Du sollst es auch sehen, hatte Amaryllis gesagt. Doch bislang sah er gar nichts, nur undurchdringliche Dunkelheit auf dem linken Auge.
    Dann und wann stieg Panik in ihm auf, aber er bekam sie jedes Mal unter Kontrolle. Er hatte noch ein zweites Auge, und mit ihm sah er die Umgebung so deutlich wie zuvor. Vorüberhuschende Felswände, über die der Fackelschein geisterte. Und wenn er sein linkes Auge berührte, schien es nicht verletzt zu sein; es tat nicht einmal weh.
    Sabatea stieß einen überraschten Laut aus, als vor ihnen ein Teil des Tunnels von Geröll versperrt wurde. Staub wölkte über das lose Gestein. Der Felsrutsch war erst vor Kurzem ausgelöst worden. Der Ifrit musste in seiner Eile die Wand gestreift und ein Stück davon eingerissen haben.
    »Sieht aus, als wären wir auf dem richtigen Weg.« Sie verlangsamte den Flug des Teppichs und manövrierte ihn vorsichtig durch einen offenen Spalt über dem Gestein.
    »Es gab keine Abzweigungen, oder?«
    »Nein. Nur diesen einen Tunnel.«
    Sie erreichten die andere Seite des Geröllhaufens und wurden wieder schneller. Als bester Teppichreiter Samarkands hatte Tarik es immer gehasst, auf dem Teppich eines anderen mitzufliegen. Er war nie gut darin gewesen, anderen die Führung zu überlassen und alle Kontrolle aufzugeben. Nun aber stellte er fest, dass es ihm nichts mehr ausmachte. Nicht bei Sabatea.
    Es verging eine Weile, ehe sie erneut die Geschwindigkeit verringerte. Diesmal geschah es so plötzlich, dass er gegen sie gepresst wurde und sie beide fast vornübergestürzt wären.
    »Oh, verdammt!«, entfuhr es ihr.
    Er beugte sich ein wenig zur Seite und hielt die Fackel nach vorn. Der lodernde Schein fiel auf einen Hornpanzer, gewölbt und mit tiefen Furchen überzogen. Augenscheinlich die Rückseite der Kreatur, die diesen Tunnel gegraben hatte.
    »Warte«, sagte er, als sie den Teppich wenden wollte. »Es ist tot.«
    »Was?«
    »Es lebt nicht mehr. Und das wahrscheinlich schon ziemlich lange.«
    Sie sah genauer hin, noch immer zweifelnd. Er nahm es ihr nicht übel. Er hätte sich in seinem Zustand selbst keinen Schritt weit über den Weg getraut. Sein Verhalten auf dem Trümmergipfel war nicht gerade ein Musterbeispiel für vernunftvolles, wohldurchdachtes Handeln gewesen. Er hätte Amaryllis sich selbst überlassen sollen. Sich ihm bis auf Armlänge zu nähern war gewiss keiner seiner besten Einfälle gewesen. Und doch bereute er nicht, was er getan hatte. Der Gedanke daran erfüllte ihn mit grimmiger Genugtuung.
    »Geh tiefer, und flieg etwas näher ran«, sagte er leise.
    »Wenn es tot ist, warum flüsterst du dann?«
    »Weil wir wahrscheinlich nicht allein mit ihm sind.«
    »Wir müssten den Ifrit sehen, wenn er hier wäre. Und daran vorbeigekommen ist er ganz bestimmt nicht – das Vieh dort vorn füllt den ganzen Tunnel aus.«
    »Ifrits können selbst bestimmen, wie groß oder klein sie sind. Jedenfalls innerhalb gewisser Grenzen.«
    »Hausen deshalb manche von ihnen in Flaschen?«
    »Das sind Märchen, Sabatea. Wie könnte man wohl einen von ihnen dazu bewegen, sich in einer verdammten Flasche zu verkriechen?«
    Sie lächelte fahrig, senkte den Teppich niedrig über den Boden des Tunnels und ließ ihn langsam auf das hintere Ende des Kolosses zuschweben. Von dieser Seite aus ähnelte er einer riesenhaften Schabe. Zwischen Hornplatten und Felswand waren keine Beine zu erkennen – übrig war nur der Panzer des Wesens.
    »Ist das – «, begann sie.
    »Sieht aus wie versteinert«, sagte er. »Flieg unter das hintere Ende.«
    Sie mussten die Köpfe einziehen, als sie unter den Rand der Hornschale glitten. Da waren Risse und Kerben an der Kante. Irgendwer hatte sich daran zu schaffen gemacht und versucht,

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