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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Dschinnfürsten Tariks Körper heraufraste. Er warf den Kopf zurück und schrie. Zerrte sein Bein zurück, heraus aus Amaryllis’ Umklammerung.
    Schwärze stieg vor seinem linken Auge auf, als hätte jemand Tinte durch seine Blutbahnen hinauf in den Augapfel gepresst.
    Blind!, schrie es in ihm. Ich werde blind!
    Aber noch sah er den Torso des Dschinnfürsten am Boden. Beugte sich vor. Packte ihn am Arm und einem Beinstumpf. Riss ihn hoch über seinen Kopf. Amaryllis’ Überreste wogen nicht mehr als ein Kind, blutleer und ausgezehrt.
    Der Dschinnfürst schrie nicht. Sprach kein Wort.
    Tot, durchfuhr es Tarik. Er lebt nicht mehr.
    Hinter ihm brüllte Sabatea sich die Seele aus dem Leib, er möge auf den Teppich steigen. Sie müssten weg hier, sofort! Aber er konnte nicht, noch nicht. Rachegefühle, Hilflosigkeit, Hass – und pure, blanke, von allem entkleidete Menschlichkeit. Ein Zwang: Tu es! Tu es jetzt!
    Maryams Gesicht stand ihm vor Augen, als er mit dem erhobenen Torso an den Rand der Trümmerscherbe trat, über einen Abgrund aus Staubschwaden und einer Ahnung lodernder Feuer. Ein Glutfleck im Nebel und darunter eine Flammenhölle, die sich bald zur Oberfläche emporbrennen würde.
    Er gab keinen Laut von sich, als er Amaryllis hinab in die Feuersbrunst schleuderte. Wie durch einen Schleier sah er den Torso in die Tiefe stürzen. Der eine Arm schlug auf und ab, ein groteskes, fast spöttisches Winken. Rauch und Staub schienen sich für ihn aufzutun, eine eigenartige Verdrängung, als wäre das, was da durch die Schlieren fiel, in Wahrheit um ein Vielfaches größer als nur dieses winzige zuckende Körperwrack.
    Die Flammen nahmen Amaryllis auf, verschlangen ihn innerhalb eines Herzschlags. Kein Zischen, kein Donnern, nicht einmal ein lautes Prasseln. Der verstümmelte Leib verglühte, und die Staubwolken schlossen sich wieder.
    Tarik taumelte zurück. Sabatea hatte ihn am Arm gepackt, zerrte ihn auf den Teppich. Er sank hinter ihr auf die Knie. Presste eine Hand auf das linke Auge.
    Hilflos. Halb blind.
    Sie drückte ihm die Fackel in die freie Hand. Unter ihnen versteifte sich das Knüpfwerk, als sie den Arm ins Muster schob. Sie hoben von den Trümmern ab, stießen mit einem Ruck nach vorn.
    Wohin fliegen wir?, wollte er fragen, aber es wurde nur ein heiseres »Wo…?« daraus.
    »Zurück in die Tunnel«, erwiderte sie.

 
Steinpanzer
 
 
    Die Blindheit auf seinem linken Auge hielt an. Dafür kehrte die Sicht des anderen allmählich zurück. Die Konturen der vorüberrasenden Umgebung gewannen an Schärfe. Das Brennen in beiden Augen ließ nach, die Tränen versiegten; vielleicht wurden sie auch nur vom fauchenden Gegenwind getrocknet.
    Sie flogen nun schon eine ganze Weile durch einen der Seitentunnel, ähnlich jenem, in dem sie der Schabenbestie begegnet waren. Es ging bergauf, seinem Gefühl nach. Aber dem traute er schon lange nicht mehr.
    »Bist du sicher, dass das hier der richtige Weg ist?«, fragte er mühsam.
    »Sicher?« Ihr Auflachen klang eine Spur zu schrill. »Wir fliegen durch eine Röhre, die mitten in diesen verdammten Berg führt. Das ist sicher. Alles andere…?« Sie beließ es dabei, vielleicht um selbst nicht weiter darüber nachdenken zu müssen.
    Er wünschte sich verzweifelt, dass sie weiterspräche. Ihre Stimme war wie ein Leuchtsignal in der Leere, die an die Stelle seiner normalen Empfindungen getreten war. Er war auf einem Auge blind, und sein Körper schmerzte auf eine vage, gleichförmige Weise, die etwas Bleiernes hatte.
    »Ich habe einen der Ifrit gesehen«, sagte sie über die Schulter. »Oder den Ifrit, falls es hier nur den einen gibt. Und er ist in diesem Tunnel verschwunden.«
    Er schüttelte den Kopf. »Du bist einem Ifrit gefolgt?«
    »Ich glaube, er ist auf der Flucht vor der Schlacht. Und es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass er einen Weg nach draußen kennt, oder?«
    In Tariks Gedanken schwirrten Bilder, die an die Stelle jener traten, die sein Auge ihm nicht mehr zeigen wollte. Sie folgten einem acht Meter großen Wunschdschinn mit einem Maul, das einen Menschen am Stück verschlingen konnte. Mit Krallen so lang wie Krummschwerter. Und dem Verstand eines zurückgebliebenen Kindes. Dies alles im Dunkeln und im Jagdrevier einer Kreatur, die noch größer und gefährlicher war. Und trotz alledem wusste er, dass Sabatea das einzig Richtige getan hatte.
    »Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit«, schränkte sie mit einer gehörigen Portion Fatalismus

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