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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Sabatea musste auf einen Geröllturm klettern, um an die Waffe heranzukommen. Wenn es auch von Natur aus in der Macht des Ifrit lag, seinen Körper zu verkleinern, so war das im Augenblick offenbar unmöglich. Das Krummschwert hätte seine Größe beibehalten und ihn wahrscheinlich auf der Stelle getötet.
    Sie packte den Griff mit beiden Händen, murmelte eine Warnung – und zerrte die Klinge aus dem pechschwarzen Dschinnfleisch.
    Der Ifrit jaulte leise auf, dann streckte er sich probeweise, spürte, dass der Stahl aus seinem Körper verschwunden war, und drehte sich mit einer schwankenden Bewegung zu ihr um. Ehe sie sichs versah, wurde sie von seiner Klaue gepackt, von den Steinen gehoben und am Boden abgesetzt. Mit bebenden Knien ließ sie das Schwert fallen, wo es in den Spalten des Gerölls verschwand.
    »Gut«, sagte der Ifrit.
    Schwankend trat sie einen Schritt zurück. »Ist das der Moment, in dem ich mir etwas wünschen darf?«
    Der Riese schüttelte den Kopf. »Keine Wunschkraft mehr. Zwei Wünsche. Dann den dritten gestohlen.«
    Sie verstand nicht, wie er das meinte – aber wahrscheinlich hätte es ihr Glück nach der waghalsigen Flucht auch überstrapaziert, sich kurzerhand mit Tarik nach Bagdad wünschen zu dürfen.
    So zuckte sie nur die Achseln. »Kein Wunsch?«
    »Kein Wunsch«, bestätigte er.
    Sie blickte zu dem Zauberpferd empor, das noch immer reglos auf der Anhöhe ruhte. »Wenn ihr mir trotzdem einen Gefallen tun wollt – verratet keinem, dass ihr uns begegnet seid.« Das klang sogar in ihren eigenen Ohren albern – sie sprach gerade zu einem Pferd und einem nicht allzu klugen Riesendschinn. Aber dann schnaubte das geflügelte Ross erneut, und auch der Ifrit nickte.
    »Versprechen«, sagte er.
    Wortlos machte sie sich auf den Weg zurück zum Lager.
    Tarik schien die Alpträume bezwungen zu haben; seine Miene wirkte ruhig, sein Schlummer entspannt.
    Da war frisches Dschinnblut an ihrer rechten Hand, nur ein Spritzer. Sie wischte es an ihrer Kleidung ab, damit Tarik es später nicht bemerken würde. Besser sie erwähnte die Begegnung gar nicht erst; er hätte sie doch nur für verrückt und leichtsinnig erklärt. Sie verstand selbst nicht recht, was gerade geschehen war.
    Bald darauf hörte sie Flügelschlagen in der Dunkelheit, dann ein Poltern und Rauschen. Schließlich herrschte wieder Ruhe auf dem Gipfel.
    Nur der Wind fauchte weiter den Hang herauf.

 
Falkengarde
 
 
    Tarik war ein lausiger Jäger. Zudem besaß er weder Bogen noch Speer, nur einen Stock, den er notdürftig an einem Felsen angespitzt hatte. Damit etwas zu fangen – das wenige, das in den Zagrosbergen noch lebte – erwies sich bald als unmöglich. Also gab er es auf und sammelte Beeren. Ein knappes Drittel aß er von den Büschen, den Rest gab er Sabatea und behauptete, es sei nur die Hälfte. Sie hätte die Früchte nicht aufgegessen, hätte er ihr die Wahrheit gesagt.
    Vor ihnen lagen die westlichsten Gipfel des Gebirges. Durch die Einschnitte sahen sie die Ebene, einen Ozean aus flirrendem Ocker. Irgendwo in seinem Zentrum verbarg sich Bagdad, die Stadt der Kalifen, das Zentrum des Abbasidenreiches. Die goldene Metropole am Ufer des Tigris. Jahrelang hatte sie den Dschinnen standgehalten und sich dabei sogar ihren Prunk bewahrt. Keine Stadt der arabischen Welt gebot über mehr Soldaten, besaß größere Schätze und vereinte Künste und kriegerische Macht von gleichem Ausmaß in ihren Mauern. Mehr als fünfzig Jahre nach dem Ausbruch der Wilden Magie war Bagdad noch immer das Herz der arabischen Welt zwischen Mittelmeer und persischem Golf, zwischen den Gipfeln des Himalaya und den dampfenden Dschungeln des Schwarzen Kontinents.
    Es war fast sieben Jahre her, seit Tarik zuletzt dort gewesen war, aber er zweifelte nicht, dass die Stadt sich kaum verändert hatte. Der Wilden Magie hatte der Kalif seine Zauberer entgegengeworfen, den Dschinnen seine unbezwingbaren Garden. Er hatte den Tigris beschützen lassen, um Waren aus dem Norden herbeizuschaffen, hatte die Wüste in weitem Umkreis von Feinden gesäubert und zugleich die Stadttore offen gehalten für Flüchtlinge aus nah und fern. Überbevölkert mochte die Stadt sein, in manchen Vierteln ein elender Moloch, in anderen eine skrupellose Zurschaustellung von atemberaubendem Reichtum. Trotz aller Schattenseiten repräsentierte sie jedoch ein Refugium der Menschheit, das sich vom Ansturm der Dschinne, Kettenmagier und Wesen der Wilden Magie nicht bezwingen

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