Sturmkönige 01 - Dschinnland
leichter in die Augen sehen konnte. »Wird es denn weitergehen? Das hängt von dir ab. Von dem, was du in Bagdad suchst.«
»Ich hatte nie eine andere Wahl«, sagte sie niedergeschlagen. »Bei all dem hier… ging es nie nur um mich. Um mich sogar am allerwenigsten.«
»Mir ging es um dich«, widersprach er. »Nur deshalb bin ich jetzt hier und nicht irgendwo dort draußen auf der Suche nach Junis und Maryam.«
Sie schob ihre Hand auf seine. Ihre Finger bebten kaum merklich, aber er spürte es trotzdem. »Was immer auch geschehen wird, Tarik… Wohin auch immer ich gehen werde und was ich auch tun muss… Ich werde deine Hilfe brauchen.«
»Ich bin nur ein Schmuggler.«
An ihrem Hals spannten sich die Muskeln. »Und ich etwas viel, viel Schlimmeres.«
Er legte die Stirn in Falten, wollte verstehen, was sie meinte. In diesem Augenblick aber waren die Teppichreiter auf Rufweite herangekommen.
»Wer seid ihr?«, ertönte eine Stimme. »Und was habt ihr hier zu suchen?«
Tarik löste den Blickkontakt zu Sabatea nur widerwillig. Langsam wandte er sich wieder nach vorn, den sechs Gardisten entgegen. Sie bildeten einen Kreis um die beiden, eigentlich einen Stern, denn ihre Teppiche waren ungewöhnlich lang und schmal, sechs bunte, gefranste Bänder, die sich auf den Gebirgswinden wellten. Tarik schätzte, dass jeder von ihnen an die zehn Schritt maß, dabei aber nicht einmal eine Mannslänge breit war. Nie zuvor hatte er Teppiche mit so erstaunlichen Abmessungen gesehen.
Die Männer trugen dunkle Bärte und Kapuzenhelme -Halbschalen aus Metall, am Rand mit rotem Stoff überzogen, der ihnen über den Nacken hinab auf die Schultern fiel. Auf jedem steckte eine Feder, die sie als Mitglieder der Falkengarde kennzeichnete, den fliegenden Kriegern des Kalifen. Auf dem Rücken eines jeden war ein Rundschild aus Holz befestigt, beschlagen mit eisernen Nieten. Silberne Kettenhemden mit Verzierungen aus Bronze schimmerten unter Schleiern aus Wüstenstaub matt in der Sonne. An ihren schmalen Gürteln hingen Krummschwerter und Sicheläxte mit auffallend langen Schäften. Drei waren mit Lanzen bewaffnet, die übrigen drei mit Bogen. Als ihre Teppiche in der Luft verharrten, zogen die Bogenschützen die Hände aus den Mustern und legten Pfeile an die Sehnen. Die Spitzen wiesen auf Tarik und Sabatea.
»Antworte, Einauge!«, rief der Hauptmann des Trupps, ein kräftiger Soldat mit vernarbtem Gesicht. Er sah aus, als wüsste er mit seinem Teppich umzugehen. Tarik kannte die Fähigkeiten der Falkengarde, hatte sie ein ums andere Mal auf die Probe gestellt und gelernt, sie zu respektieren. »Was tut ihr hier draußen?«
»Ich bin Tarik al-Jamal. Wir kommen aus Samarkand.«
»Quer durchs Dschinnland?«
Tarik nickte. »Wir sind beide verwundet und halb verhungert.«
Einer der Teppichreiter in Tariks Rücken meldete sich mit einem ungewöhnlichen Akzent zu Wort. »Habt ihr Dschinne gesehen? Viele Dschinne?«
»Sie ziehen über das Salz der Kavir nach Westen«, antwortete Tarik. »Gegen Bagdad, vermute ich.«
»Das wissen wir«, rief der Hauptmann über den Abgrund hinweg. Er wirkte nicht besonders erfreut über den ungefragten Einwurf des anderen Soldaten.
Tarik blickte über die Schulter und betrachtete den Mann mit dem fremdländischen Akzent genauer. Er war dunkelhaarig wie alle anderen, aber er trug keinen Bart, war größer als sie und sehr breitschultrig. Sein Haar fiel lang und lockig über die Schultern. Er war mit einer Lanze bewaffnet, hatte sie aber nicht wie die Übrigen in Anschlag gebracht. Und obwohl er ähnliche Kleidung trug, gab es doch auffällige Unterschiede. Auf seinem Schalenhelm war keine Feder befestigt, also war er kein Falkengardist; auch war an dem Metall kein Stoff befestigt. Stattdessen trug er einen Nackenschutz aus Kettengewebe. Sein Gesicht wurde von einem Schleier aus feinen, schwingenden Ketten beschattet, die vom Stirnrand des Helms bis zum Kinn reichten. Er trug ein Amulett aus Bronze auf der Brust; auf den ersten Blick sah es aus wie eine gewöhnliche Münze.
Sabatea schob sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr und flüsterte hinter der Hand: »Ein Byzantiner. Ich kenne den Akzent dieser Männer.«
Tarik wunderte sich. Ein Flüchtling aus dem Norden? Ein Söldner? Gar ein Abgesandter Konstantinopels?
Der Hauptmann ergriff abermals das Wort. »Wer sagt uns, dass ihr keine Sklaven der Dschinne seid? Keine Überläufer? «
Kurz erwog Tarik, ihnen die Wahrheit zu sagen. Dass sie in den
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