Sturmkönige 01 - Dschinnland
wirst sie nach Bagdad bringen? «
»Ja.«
Er blickte nur sie an, nicht seinen Bruder. »Vermutlich ist ihre Bezahlung sehr großzügig.«
»Unter anderem übernehme ich die Kosten für die fehlende Ausrüstung«, sagte sie sehr ruhig.
Tariks Blick wanderte zu dem zerwühlten Lager. Er nickte langsam. »Ja. Das dachte ich mir.«
Ein Lächeln erschien auf Junis’ Zügen, das Tarik ihm am liebsten mit den Fäusten ausgetrieben hätte. Was ihn davon abhielt, war nicht seine Vernunft. Auch nicht die Anwesenheit Sabateas. Es war Mitleid. Sie hatte Junis um den Finger gewickelt, genauso wie sie es mit ihm versucht hatte. Tarik konnte ihm nicht einmal übel nehmen, dass er darauf hereingefallen war.
Seine Wut richtete sich allein auf sie. Und ein wenig auch auf sich selbst. Er sah ihren weißgrauen Augen an, dass sie wusste, was in ihm vorging; sie schien niemals etwas zu tun, ohne sich der Folgen bewusst zu sein. Trotzdem verriet keiner von ihnen auch nur mit einem Zucken, dass sie einander bereits begegnet waren. Sabateas Gründe dafür kannte er nicht. Er selbst aber verspürte eine sonderbare Scheu, Junis die Wahrheit zu sagen. Vielleicht weil da zum zweiten Mal eine Frau war, die sie in gewisser Weise teilten. Wenn auch nur flüchtig.
Junis würde das nicht verstehen. Er hätte die Schuld einmal mehr bei Tarik gesucht.
»Ich kann dich nicht davon abhalten, nicht wahr?« Sein Blick löste sich von Sabatea und wanderte zurück zu seinem Bruder.
Junis sagte nichts, aber sein Lächeln war jetzt so siegessicher und überheblich wie gestern beim Rennen, als er geglaubt hatte, es reiche aus, die Überraschung auf seiner Seite zu haben, um Tarik zu besiegen. Nur dass er diesmal Recht damit hatte.
»Leb wohl«, sagte Sabatea, als Tarik ging.
Diesmal war er es, der keine Antwort gab.
Aufbruch
An jedem anderen Tag wäre er so früh am Morgen der einzige Gast in Amids Taverne gewesen. Doch heute tobte draußen in den Gassen das Volk Samarkands. Seit Sonnenaufgang beherrschten Gedränge und Stimmengewirr die Straßen und Plätze. Hunde bellten wie tollwütig. Katzen strichen fauchend über Mauern und Dächer. Die Karawane der Vorkosterin hatte sich auf ihren Weg durch die Stadt gemacht, begrüßt von Hunderten, die ihr am Wegrand und aus den Fenstern zujubelten.
Tarik kümmerte sich nicht um das, was da draußen vor sich ging. Es war nichts als eine vorgezogene Trauerfeier. Keiner, der in den Pferdewagen oder als Teil der Eskorte die Stadt verließ, würde jemals in Bagdad ankommen.
Auf dem Weg zur Taverne hatte er mehr Silberschlangen auf den Straßen gesehen als sonst. Die Tiere witterten die Aufregung der Massen. Sie spürten, dass Entscheidungen in der Luft lagen, zum Guten wie zum Schlechten. Wenn Leichtsinn und Verblendung durch die Gassen wehten, gab es dankbare Abnehmer für schlechten Rat. Zweifellos würde heute mehr geraubt, gestohlen und gemordet als sonst. Die Schlangen taten das ihre, den einen oder anderen Ahnungslosen ins Verderben zu locken.
Tarik saß im offenen Fenster des Schankraums. Er hatte die Beine angezogen, hielt einen Tonbecher in Händen und verließ sich darauf, dass Amid oder eines der Mädchen dann und wann mit ihren Krügen vorbeikämen und nachschenkten.
Die Gasse draußen vor dem Fenster lag im Schatten. Noch stand die Sonne nicht hoch genug, um die Schneisen und Schächte der Altstadt zu erhellen. Menschen in weiten Gewändern, mit Schleiern und Turbanen drängten sich am Fuß der Lehmfassaden. Einige kamen vom Palast und wollten die Karawane ein zweites Mal sehen. Andere warteten, um erstmals einen Blick auf die Gespanne und Reiter zu werfen.
Auch Tarik blickte ins Freie. Ebenso gut hätte er die Rückwand des düsteren Raumes anstarren können. Vor seinem inneren Auge breiteten sich die Scherben seines Lebens aus. Junis hatte ihm oft genug vorgeworfen, ein verbittertes Wrack zu sein. Nur gestern hatte er nichts dergleichen gesagt. Das war nicht nötig gewesen.
Tarik wusste, dass sein Bruder Recht hatte. Er war seinen eigenen Schwächen gegenüber nicht blind, war es nie gewesen, und das war vielleicht das Schlimmste.
Er erkannte genau, was mit ihm geschah und was seit Maryams Tod aus ihm geworden war. Er trank zu viel. Er scherte sich um nichts als sich selbst. Er lebte nur für die Rennen – für den billigen Triumph und für das Preisgeld. Frauen musste er nicht mögen, um sich mit ihnen zu vergnügen – tatsächlich fand er es einfacher, mit ihnen auszukommen,
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