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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Linke. Zu hastig, zu verschwenderisch. Die Hälfte rieselte zwischen seinen Fingern hindurch. Er hatte die Stelle auf dem Wall mit einer Salzspur einkreisen wollen, doch dazu war es zu spät. Stattdessen schleuderte er das Salz nun weit über die Wesen.
    Sie waren jetzt überall, ein breiter Ring aus zwanzig, dreißig oder noch mehr Quallen. Über die verfallenen Zinnen schoben sich von der Westseite her immer weitere, ein unablässiger Strom aus glitzernder, wässeriger Masse. Selbst wenn er jetzt floh, würden sie seine Anwesenheit noch lange genug spüren können, um der Stelle auf dem Wall seine Erinnerungen zu entziehen.
    Das Salz traf gleich mehrere von ihnen, fraß sich in ihre Körper, brannte handtellergroße Löcher hinein. Einige lösten sich vollends auf, andere krochen weiter, brodelnd und dampfend, während sich ein Gestank wie von verdorbener Milch über den Wall legte.
    Tarik konzentrierte sich jetzt auf jene, die ihm am nächsten waren. Wenn das Salz sie verätzte, tötete es oft auch das nächste und übernächste Wesen, das sich stumpfsinnig durch die Überreste seines Artgenossen schob. Immer mehr drängten über das Gestein, auf dem er und Maryam gelegen hatten. Er tötete sie, bevor sie seine Erinnerungen aufzehren konnten. Aber das Salz ging zur Neige, schon weit über die Hälfte war aufgebraucht. Er hatte so viel gekauft, wie er sich hatte leisten können. Nicht genug in Anbetracht so zahlreicher Gegner.
    Allmählich jedoch zeigte der Ring aus verätzten und geschmolzenen Wesen rund um ihn Wirkung. Das Nachrücken der anderen geriet ins Stocken, als immer mehr von ihnen in die salzigen Überreste gerieten und in Sekundenschnelle verdampften. Auch über die Zinnen rückten keine weiteren Wesen mehr nach. Noch zehn oder fünfzehn mochten sich auf dem Wehrgang befinden. Wenn ein paar mehr von ihnen blindlings in den Tod krochen, hatte er vielleicht eine Chance. Er ging jetzt sparsamer mit dem Salz um, streute es gezielter auf jene Wesen, denen trotz Verletzungen der Durchbruch gelang. Der Boden unter ihm war glitschig von zersetztem Quallenfleisch, aber er erinnerte sich noch immer an alles, an jeden Augenblick mit ihr, an jedes Wort.
    Schließlich war der Lederschlauch leer. Eine Handvoll der Wesen lebte noch. Rund um Tarik befand sich eine drei Meter breite Zone, die mit den Überresten der toten Kreaturen bedeckt war. Kreise aus silbrigem Schleim, die sich vielfach überschnitten wie Weinringe auf Amids Tavernentischen. Drei weitere Quallen kamen inmitten der salzigen Nässe zum Liegen und lösten sich zischend auf. Noch zwei, die ihren Weg unverwandt fortsetzten. Eine erwischte es kurz vor Tariks Füßen, die letzte aber brach durch.
    Tarik beugte sich über die Kreatur, stieß beide Hände mitten in den weichen Balg und griff in das glühende Adernetz. Zwischen seinen Fingern fühlte es sich an wie ein Gewirr aus nasskalter Wolle. Mit letzter Kraft zerrte er das Wesen zurück. Die pulsierenden Saugbewegungen verhinderten, dass er es vom Boden heben konnte. Trotzdem gelang es ihm, die Qualle über den glatten, rutschigen Untergrund nach hinten zu ziehen, dann zur Seite, dorthin, wo die Salzkonzentration in den Überresten der anderen stark genug war. Seine Hände steckten noch in der zuckenden Gallerte, als sie sich von unten her auflöste. Die Saugkraft erschlaffte, die schimmernden Adern zerfielen zwischen seinen Fingern.
    Zuletzt stand er allein da, vornübergebeugt, mit rasselndem Atem, schwindelig von dem Gestank und kurz davor, sich einfach fallen zu lassen, nur dazusitzen, auszuruhen, abzuwarten. Aber er fürchtete, dass schon bald andere Kreaturen auftauchen könnten, angelockt von den zischenden Dämpfen, die zwischen den Zinnen aufstiegen. Und auch die Artgenossen derjenigen, die er besiegt hatte, würden nicht lange auf sich warten lassen.
    Er schleppte sich zurück zum Teppich und warf einen Blick auf die Sanduhr, ehe er sie verstaute. Über die Hälfte des Sandes war durch das Nadelöhr zwischen den Kristallkelchen gerieselt. So lange war er schon hier? Im Dschinnland wurde selbst die Zeit zum Trugbild.
    Bevor er dem Teppich Befehl gab, sich vom Wall zu erheben, blickte er noch einmal zurück zu den Überresten der Quallenwesen. Zu dem unscheinbaren Platz vor den Zinnen, den er so verzweifelt verteidigt hatte.
    Nichts war vergessen. Er sah wieder Maryam vor sich, nackt im Mondlicht, die verschlungenen Symbole aus Henna auf ihrem Körper. Hörte ihre Stimme, ihr Flüstern an

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