Sturmkönige 01 - Dschinnland
Geschehen aus schattigen, tiefdunklen Augen.
Junis brüllte auf, als ein zweiter Dschinn seinen anderen Arm ergriff. Seine Hand wurde abrupt aus dem Muster gerissen. Dann zerrten ihn die beiden Kreaturen vom Teppich, hoben ihn in die Luft und drehten augenblicklich bei, flogen mit ihrer strampelnden Beute nach Westen.
Tarik wollte ihnen folgen, aber da schloss sich der Ring aus Angreifern um ihn und Sabatea. Ein unübersichtlicher Schwarm aus Dschinnen war jetzt überall und schnitt ihnen den Weg zu Junis ab. Hilflos musste Tarik mit ansehen, wie die beiden Dschinne seinen Bruder davontrugen und in der Ferne immer kleiner wurden.
Junis’ steuerloser Teppich raste wie eine Klinge abwärts und prallte in einem Chaos aus aufstiebenden Pflanzenfetzen und Stacheln mitten in den Kaktuswald.
Tarik hob das Schwert, hin- und hergerissen zwischen dem verzweifelten Wunsch, Junis zu folgen, oder aber sich zu verteidigen.
Sabatea flüsterte etwas, das wie ein Abschied klang.
Die Dschinne rückten näher.
Und etwas brach zwischen den Kakteen hervor, ein Strom aus weißen Leibern, eine Explosion aus lebendem Elfenbein.
Kopet-Dagh
Wenige Augenblicke, bevor die Herde der Elfenbeinpferde aus dem Kaktuswald aufstieg, riss der Kettenmagier am Himmel über dem See beide Arme in die Höhe. Das Flirren der Wüstenhitze wurde vom Horizont abgesaugt und verdichtete sich zwischen seinen Händen – für mehrere Sekunden erstreckte sich die endlose Weite kristallklar bis ans Ende der Welt. Schlagartig wurde deutlich, weshalb die Haut des Magiers derart verbrannt war. Das Hitzewabern zog sich immer enger über seinem Kopf zusammen, ein wirbelnder, rotierender Knoten aus kochender Luft. Selbst die vier Dschinne an den Ketten des Magiers, zehn Meter weiter unten, zuckten und wanden sich vor Pein.
Aber er kam nicht mehr dazu, die Beschwörung zu vollenden. Noch bevor die Magie wirksam werden konnte, brachen die Elfenbeinpferde zwischen den Kakteen hervor. Sie mochten die einzigen Lebewesen sein, denen die Stacheln nichts anhaben konnten; zu hart waren ihre Körper, zu glatt die Oberflächen. Nicht einmal Dschinne hätten sich freiwillig in dieses mörderische Dickicht gewagt.
Neugierig und scheu mussten sie aus ihrem Versteck heraus den Kampf am Himmel verfolgt haben, um beim ersten Anzeichen von Gefahr die Flucht zu ergreifen. Aber erst Junis’ abstürzender Teppich hatte sie endgültig aufgeschreckt. Nun stoben sie zwischen den Kakteen hervor, unter ohrenbetäubendem Rauschen ihrer Schwingen, ein heilloses Durcheinander, das sich in Windeseile zu einem majestätischen Strom formierte. Es waren mehr als nur jene, die Sabatea und Junis auf der Alten Bastion beobachtet hatten – Dutzende. Immer noch stiegen weitere zwischen den Pflanzen hervor, ein überwältigend schöner Anblick inmitten des Gefechts zwischen Dschinnen und Menschen.
Der Kampf brach schlagartig ab. Tarik riss den Teppich herum, als eine Lücke zwischen den Angreifern entstand, breit genug, um hindurchzufliegen. Auch die Dschinne, die den hilflosen Junis trugen, drehten bei und rasten mit ihrer Beute erst nach Süden, dann nach Westen, als ihnen klar wurde, in welche Richtung die Eruption aus weißen, geflügelten Pferden flutete.
Der Magier über dem See stieß ein hohes Kreischen aus, als die riesigen Pferdeleiber über das Wasser nach Osten rasten – genau auf ihn und seine vier Sklaven zu. Die Dschinne an den Enden der Ketten wurden gerammt und umhergewirbelt. Kettenglieder rasselten durch ihre Klauen, als sie panisch versuchten, die heranpreschende Stampede aus fliegenden Rössern abzuwehren. Plötzlich hielt nur noch ein einziger den schwebenden Magier, wurde ruckartig nach oben gezogen, weigerte sich aber, seinen Meister loszulassen. Das Kreischen aus der Höhe wurde noch schriller, als das Hitzewabern außer Kontrolle geriet, über den Körper des Magiers floss und sich an der letzten Kette abwärtsfraß. Der Dschinn sah den Zauber auf sich zurasen. In seiner Furcht riss er die Arme auseinander, wurde im nächsten Moment erfasst und zerkochte innerhalb eines Atemzuges zu einer brodelnden Blasenmasse, die als Klumpen in den See stürzte. Dampf schoss empor und stand als weiße Säule über dem Wasser. Weitere Elfenbeinpferde stießen durch die Wolke und galoppierten schwingenschlagend nach Osten.
Die Haut des schreienden Magiers verfärbte sich, platzte auf wie Tomaten auf einem heißen Kochstein. Dennoch verletzte ihn die Hitze nur oberflächlich.
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