Sturmkönige 01 - Dschinnland
Osten her aus der Wüste herangeschwebt waren, handelte es sich um dieselben, denen sie in der Oase begegnet waren. Sand klebte auf ihren purpurnen Körpern, dämpfte das Schimmern ihrer geflammten Hautmuster.
Einer aus dem anderen Trupp, der selbst keine Fackel trug, brüllte die Neuankömmlinge an. Anders als die Übrigen trug er nicht nur einen einzigen angenähten Schweif aus Menschenhaar, sondern eine Vielzahl, manche zu dünnen, schlangengleichen Zöpfen geknüpft. Dafür, dass es sich bei ihm um einen Befehlshaber handelte, sprach auch sein Schulterschmuck aus den Hirnschalen menschlicher Schädel.
Der Dschinnhauptmann stieß einen schrillen Befehl aus: In Windeseile wurden die erschöpften, sandbedeckten Dschinne von ihren Artgenossen umringt. Klingen aus Eisen und Stein zuckten in die Höhe. Das Kreischen wurde ohrenbetäubend. Der Kettenmagier war nirgends zu sehen – zweifellos der Grund für das Todesurteil, das binnen weniger Herzschläge vollstreckt wurde. Die Dschinne aus dem Inneren der Höhle stürzten sich auf ihre ausgelaugten Brüder, und in kürzester Zeit lebte keiner mehr von ihnen. Ihre Leichen wurden achtlos über die Klippe geworfen, hinab in den Schlammsee, hunderte von Metern unter dem Gipfel.
Tarik hielt Sabateas Hand und spürte, wie kalt ihre Finger waren. Ihre Flüsterstimme klang heiser. »Sie wissen, dass wir hier sind.«
Der Dschinnhauptmann bellte Befehle, und sogleich schwärmten die Krieger aus. Der Fackelschein zerstob in zahllose Lichtkreise, die sich wie Mondscheiben über den dunklen Fels bewegten. Die Nacht war erfüllt von den Kreaturen. Viele hielten sich niedrig am Boden, weil die Höhe dieses Bergkamms ihnen Unbehagen bereitete. Andere stiegen kühn in die Finsternis auf, um das Gebiet aus der Luft zu erkunden.
Gleich drei Dschinne schwebten auf die Felsnische zu, in der sich Tarik und Sabatea versteckten. Die beiden konnten nicht fliehen, ohne geradewegs in den Schwarm ihrer Feinde zu rasen. Tarik erwog es dennoch, aber sie hatten noch einen zweiten Fehler gemacht, neben jenem, sich hier oben zu sicher zu fühlen: Während sie sich rückwärts in den hintersten Winkel des Spaltes gedrängt hatten, war der Teppich unter ihren Füßen zusammengeschoben worden. Unmöglich, ihn in dieser Enge flach auszurollen. Und das bedeutete: keine Möglichkeit, mit ihm abzuheben.
Sie saßen fest. Und die drei Dschinne kamen näher.
»Hoffen wir, dass sie nicht wissen, dass wir zu zweit sind«, flüsterte er.
»Was hast du – «
Sie verschluckte den Rest des Satzes, als er das Krummschwert packte, geduckt von ihr fortglitt und hinaus ins Freie huschte. Er kam nur wenige Schritte weit, ehe ihn der erste Dschinn witterte.
Tarik stieß einen Schrei aus, der die drei Kreaturen von Sabatea ablenken sollte, dann rannte er los.
Als Tarik sie zurückstieß und aus dem Felsspalt stürmte, wusste Sabatea, dass dies das Ende ihrer Flucht war.
Ein wütender, hilfloser Aufschrei blieb in ihrer Kehle stecken, als sie sah, wie die drei Dschinne pfeilschnell seine Verfolgung aufnahmen.
In weiten Sprüngen setzte Tarik über den zerklüfteten Untergrund hinweg, über schmale Spalten und Felsbuckel. Die Dschinnkrieger würden nur Augenblicke brauchen, um ihn einzuholen, das sah sie von ihrem Versteck aus ganz deutlich. In einem Bogen rannte er auf die Klippe zu. Dahinter gähnte der Abgrund, an dessen Fuß der kochende Schlammsee dampfte.
Alarmiertes Kreischen gellte durch die Nacht. Von hinten zuckte etwas auf Tarik zu. Er wich nach links aus und entging dem Stoß einer steinernen Lanzenspitze. Wütend unterbrach er seinen Lauf zur Felskante, wirbelte herum und führte einen geschickten Hieb mit dem Krummschwert. Die Klinge durchtrennte die Arme des Lanzenträgers, der unter scheußlichem Geschrei ins Trudeln geriet und in der Dunkelheit verschwand. Die beiden anderen waren unmittelbar hinter ihm, aber Tarik lief schon wieder weiter. Die Fackeln bildeten jetzt einen unregelmäßigen Ring rund um ihn in der Finsternis. Eine flackernde Schlinge aus Licht hatte sich über die Felsen gelegt und zog sich immer enger zusammen.
Sabatea sah mit angehaltenem Atem zu. Selbst jetzt noch lag in der Art, wie er sich bewegte und kämpfte, eine Eleganz, die sie überraschte. Etwas Katzenhaftes, fast Tänzerisches. Aber die Sorge um ihn überwog ihr Erstaunen bei weitem – und ihr wurde bewusst, dass das Schlimmste gar nicht so sehr die Erkenntnis war, ohne seine Hilfe hier draußen verloren
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