Sturmkönige 01 - Dschinnland
Städten bewegten.
Die Ruinenstädte der Roch ähnelten aus der Ferne und im Halblicht zahlloser Feuer zwei gigantischen Wespennestern, die sich an entgegengesetzten Enden des Höhlendoms an die Decke klammerten. Ihre Struktur erschien von Weitem wie die Oberfläche von Schwämmen, durchzogen von Tausenden Öffnungen und Tunneln. Als die Dschinne Tarik näher auf eines der grotesken Gebilde zutrugen, erkannte er, dass sie weit poröser waren, als er angenommen hatte. Hinzu kam, dass während der Jahrtausende, in denen sie leer gestanden hatten, große Teile verfallen und unbewohnbar geworden waren. Selbst die fliegenden Dschinne, die nicht auf die morschen Böden angewiesen waren, schienen jene Bereiche zu meiden. In den verlassenen Zonen brannten keine Feuer; sie sahen aus wie Fäulnisflecken im Gefüge der Neststädte.
Tarik schätzte, dass jedes der beiden unförmigen Gebilde eine Höhe von tausend Schritt oder mehr besaß. Ihre Breite betrug mindestens die Hälfte davon. Wie weit es von ihren tiefsten Punkten bis zum Höhlenboden war, blieb ungewiss. Ihre oberen Enden aber waren breitflächig mit der Grottendecke verklebt, mit zähen erstarrten Fäden aus derselben Substanz, aus der auch die Städte selbst geformt waren. Anders als das papierartige Material von Wespennestern schien es sich um einen zähen, lehmartigen Mörtel zu handeln, der ungeheuer belastungsfähig sein musste. Mochten die Götter wissen, woraus die Roch ihn gewonnen hatten. Falls es sich, wie bei Wespen und Bienen, um speichelartige Ausscheidungen der Vogelmenschen handelte, so vermochte er sich nicht auszumalen, wie viele Generationen am Bau dieser Neststädte beteiligt gewesen waren.
Einmal entdeckte er einen Pulk Dschinne, der ein Netz voller Menschen trug. Womöglich handelte es sich um einen Teil der Gefangenen, die er in der Wüste beobachtet hatte. Er war zu benommen und viel zu weit entfernt, um erkennen zu können, ob Junis womöglich unter ihnen war.
Ein andermal glitt ein Koloss durch die Dunkelheit, der Ähnlichkeit mit einem ins Groteske vergrößerten Dschinn hatte. Ebenfalls ohne Beine, nur ein fliegender Oberkörper mit zu vielen Gelenken an den Armen, die Haut nicht geflammt wie die seiner kleineren Artgenossen, sondern gleichmäßig schwarz. Es war eine tintige, ölige Schwärze, vollkommen anders als das Dunkelbraun, das er bei afrikanischen Händlern in Bagdad gesehen hatte. In der Finsternis machte das den Giganten beinahe unsichtbar. Nur die Reflexionen der Feuer und Fackeln auf seiner Haut rissen ihn für einen Augenblick aus dem Dunkel. Er war kahlköpfig und maß fünf Mannslängen von der Stirn bis hinab zum fehlenden Unterleib; die Arme waren mindestens ebenso lang. Er fletschte die riesigen Zähne, als er Tarik entdeckte, drehte bei und verschwand in der Dunkelheit.
Allmählich wurden seine Glieder taub. Sein Nacken sandte pulsierende Schmerzstöße an seinem Rückgrat hinab. Er ahnte schon, dass er nach der Landung vollkommen hilflos sein würde, unfähig, sich zu rühren, geschweige denn zu kämpfen.
Die beiden Dschinne, die ihn an den Armen durch die Schwärze trugen, steuerten jetzt auf einen der größten Hohlräume in der pockennarbigen Oberfläche des Rochhorstes zu. Dies schien die intaktere der beiden Hängenden Städte zu sein. Auch brannten in ihren Kammern weit mehr Feuer als in der Neststadt am gegenüberliegenden Ende der Höhlendecke.
Die Öffnung erwies sich als eine Art Grotte in der blasigen Struktur des Stockes. Mehrere Dschinne hielten an der Kante zum Abgrund Wache. Tariks Verstand war vom Schmerz vernebelt, aber er registrierte sehr wohl, dass er nie zuvor Dschinne mit Pfeil und Bogen gesehen hatte. Bislang hatte er angenommen, ihre Sehkraft sei zu ungenau für so präzise Waffen. Nun aber wurde er eines Besseren belehrt, denn zwei von ihnen spannten augenblicklich die Sehnen, als seine Träger ihn grob zu Boden ließen. Die Pfeilspitzen blieben auf ihn gerichtet, als er mit einem Aufschrei zusammenbrach und Augenblicke lang nur dalag, alle Empfindungen von einer brodelnden Wolke aus Schmerz betäubt.
Sie ließen ihm keine Zeit, sich an den festen Untergrund zu gewöhnen. Unter den wachsamen Blicken der Bogenschützen rissen seine beiden Begleiter ihn auf die Beine, hielten ihn erneut an den Armen fest und zerrten ihn mit sich. Diesmal behielten seine Füße den Kontakt zum Boden, und nach ein paar Schritten konnte er wieder aus eigener Kraft laufen.
Sie führten ihn durch mehrere
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