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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Blick.
    Und erstmals war da eine Regung in seiner Stimme-aus-vielen, war da Erstaunen, fast Freude.
    »Du siehst es auch«, flüsterte er.
    Tarik taumelte schreiend auf die beiden zu, aber er kam zu spät. Der Narbennarr nahm Maryam bei der Hand, nicht besitzergreifend, sondern fast zärtlich. Ein Erwachsener, der ein Kind mit sich fortführt, keine Bedrohung, nur das Versprechen von Sicherheit. Ein Hoffnungsschimmer in diesem Sturm aus Zerfall und Verwesung, in diesem Strudel von Bildern, die irgendwann wahr sein würden, aber nicht heute, nicht jetzt.
    Tarik brüllte ihren Namen, als der Narbennarr sie mit sich nahm. Er sah ihre wandelnde Leiche mit Amaryllis davongehen, sah seine eigene Hand sich nach ihr ausstrecken, zu weit entfernt, so machtlos. Seine Haut verwitterte und wehte davon. Das Fleisch brodelte zwischen Sehnen und Knochenspeichen. Das Schwert fiel verrostet zu Boden.
    Dann verschloss der Narbennarr das Aaslicht wieder in seinem Leib. Die Wirklichkeit kehrte zurück, und mit ihr kam ein Schatten von Irrsinn. Dann Bewusstlosigkeit. Schließlich Erwachen. Und das Gefühl entsetzlicher Einsamkeit.
    Sand rieselte von Tariks Körper, als er sich aufrichtete.
    Alles war wieder wie zuvor. Er selbst und seine Kleidung. Die Lehmmauer rund um den Brunnen. Der Teppich, begraben unter weißgelben Sandwehen.
    Maryam war fort. Nirgends Spuren im Sand, nicht ihre und nicht die des Fremden. Auch Tariks eigene waren zugeweht. Er musste Stunden hier gelegen haben, vielleicht einen Tag. Das Licht, das die Schatten der Palmen zum Leben erweckte, glühte ohne Erbarmen vom Himmel herab.
    Alles wie zuvor.
    Nur ohne sie. Ohne Maryam.
    Dafür das Echo einer Stimme.
    Seht die Welt ohne euch.
    Seht, wie ich sehe.

 
Entdeckt
 
 
    »War er ein Dschinn?«, fragte Sabatea.
    »Amaryllis ist einer ihrer Fürsten.« Tarik wollte ihr erzählen, wie er jahrelang versucht hatte, mehr über den Narbennarren herauszufinden; von seinen langen Gesprächen mit Veteranen des Dschinnkrieges, den Überlebenden der Schlachten um die Alte Bastion. Er wollte ihr von den Alpträumen dieser Männer berichten, von dem Wüten des Narbennarren auf den Schlachtfeldern, von all dem und noch so viel mehr -
    - als das Licht mit einem Mal zurückkehrte.
    Nicht in seiner Erinnerung, sondern im Jetzt und Hier und im Gefolge vieler Stimmen. Das kreischende Zwitschern der Dschinne stieg aus dem Tal herauf, vereinigte sich mit den Rufen anderer, die von Osten heranschwebten. Jene, die aus der Tiefe kamen, trugen Fackeln. Es war Nacht geworden, während Tarik Sabatea erzählt hatte, was damals geschehen war – von Maryams Tod, der in Wahrheit Maryams Verschwinden gewesen war.
    Er hatte fest daran geglaubt, dass sie tot war, weil Dschinne keine Gefangenen nahmen. Und weil er es hatte glauben wollen. Die Gewissheit, dass sie an jenem Tag gestorben war, hatte ihn beinahe zugrunde gerichtet. Die Vorstellung aber, dass sie noch leben könnte, als Sklavin in einem Käfig oder in den uralten Pferchen der Roch – als Amaryllis’ Sklavin –, war noch unerträglicher. Seit Stunden verfolgte ihn dieser Gedanke. Sie hatten ihm Maryam genommen. Sie hatten ihm Junis genommen. Und beide waren womöglich noch am Leben.
    Draußen vor der Nische im Fels trafen die Dschinne mit den Fackeln auf jene, die aus der Wüste kamen. Aufgeregtes Gewimmel, schnatterndes Gekreische. Tarik und Sabatea drängten sich tiefer in den Schatten des Überhangs, in der schalen Hoffnung, dass in all dem Trubel niemand ihre Witterung aufnehmen würde. Sie waren keine zehn Schritt von den ersten Dschinnen entfernt. Der Fackelschein tanzte vor ihnen über den Boden, über Sabateas Füße und Unterschenkel, an ihrer beider Körper hinauf. Wenn eines der Wesen in ihre Richtung blickte, musste es sie entdecken.
    »Sie dürften nicht so hoch oben am Berg sein«, flüsterte er ganz nah an Sabateas Ohr, während sie sich eng aneinanderpressten. Aber er erkannte seinen Fehler, noch während er die Worte aussprach. Dschinne kamen nicht freiwillig in solche Höhen, das war richtig; wohl aber, wenn es ihnen befohlen wurde. Während der ersten Jahre ihrer Invasion waren viele Menschen in die Berge geflohen, aber überlebt hatte kaum einer von ihnen.
    Die Dschinne waren aufgrund eines Befehls hier oben – weil es jemanden gab, den sie suchten. Menschen, von denen sie vermuteten, dass sie sich auf einem Berggipfel wie diesem sicher fühlen würden. Menschen wie Tarik und Sabatea.
    Bei den Dschinnen, die von

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