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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Dann ertönte das scheußliche Klatschen einer Keule auf Fleisch. Das Heulen brach ab. Verwundete hatten bei den Dschinnen weder Versorgung noch Gnade zu erwarten.
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf wie in einem Tobsuchtsanfall. Das erbeutete Haar seiner Opfer wirbelte in Zöpfen und Pferdeschwänzen um sein Haupt wie die Schlangenmähne einer Gorgo. Zugleich stieß er eine Reihe scharfer Befehle aus. Beides gemeinsam – das wütende Schütteln und die knappen, zornigen Rufe – brachten seine Untergebenen dazu, unverzüglich zu gehorchen.
    Tarik beugte sich vor, um das Schwert auf dem Fels abzulegen, als zwei unbewaffnete Dschinne auf ihn zufegten, ihn an den Armen packten und vom Boden rissen. Mit einem Fluch verlor er die Klinge aus der Hand. Die Waffe seines Vaters schepperte über die Felskante – und stürzte hinab in Qualm und Schlamm.
    Ohnmächtig musste Sabatea mit ansehen, wie die beiden Dschinne auch Tarik selbst über die Kante und in den Schwefeldunst des Schlammvulkans trugen. Vor ihr lachte einer der Dschinne. Der Hauptmann schrie ihn an, gestikulierte und folgte dem Gefangenen und seinen Trägern in die Tiefe. Auch der Rest der Kreisformation löste sich auf, nur wenige blieben auf dem Gipfel zurück.
    Sabatea ließ den Teppich aus der Nische schweben, hinaus in den Flammenschein der Fackeln, dann seitwärts in die Nacht. Zu schnell. Ein Zucken in der Dunkelheit, das selbst den schwachen Augen der Dschinne nicht entging.
    Einer wirbelte herum. Weitere folgten alarmiert seinem Blick. Es waren nicht viele, fünf oder sechs, die den Befehl erhalten hatten, die Suche auf dem Bergkamm fortzusetzen. Und die nun mit ansahen, wie ein Teppich und seine Reiterin in die Nacht davonhuschten.
    Brüllend hoben sie ihre Waffen und stürzten sich auf ihre Beute.

 
Die Hängenden Städte
 
 
    Wenn die ganze Welt von Ungeheuern bevölkert ist, und du bist der einzige Mensch – wer ist dann das Ungeheuer?
    Er hatte sich diese Frage oft gestellt, während er das Dschinnland durchquert hatte, als einziges menschliches Wesen unter den Alptraumkindern der Wilden Magie. Und nie hatte er eine Antwort gefunden, weil das, was ihm wie die Wahrheit erschien, zu schmerzhaft und unwirklich war, zu weit weg von seiner angeborenen Überzeugung, überlegen und besser und gut zu sein.
    Als sie ihn nun durch den Felsspalt am Ufer des Schlammvulkans trugen, hilflos im Griff der Dschinne, die Arme gespreizt, als wollten sie ihn an ein Kreuz schlagen, da versuchte er einmal mehr, sich auf diese Frage zu konzentrieren. Vor allem, um die Gesichter aus seinem Kopf zu verbannen. Seinen Bruder, Maryam – und Sabatea ganz alleine oben auf dem Gipfel.
    Ein Tunnel führte tiefer in den Berg hinein, eine verzogene Wunde im Gestein. Feuerbecken brannten in Nischen und ließen gelbliches Licht durch Schwefelschwaden geistern.
    Schließlich flogen sie nicht mehr vorwärts, sondern nach unten, als der zerklüftete Tunnel zu einem steilen Schacht in die Tiefe wurde. Die schrundigen Wände blieben zurück, und von allen Seiten drängte erneut das Gefühl der Leere auf ihn ein, eine Weite, die hätte befreiend wirken müssen, ihn stattdessen jedoch mit klaustrophobischer Panik erfüllte.
    Es war mehr als eine Höhle – ein unterirdischer Dom von so titanischen Ausmaßen, dass Tarik die Seitenwände nur als vage Farbnuance inmitten flächiger Finsternis erkannte. Als er zu Sabatea gesagt hatte, in die Höhle der Hängenden Städte passe ganz Samarkand hinein, da hatte er lediglich die alten Legenden zitiert. Doch wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass sein Vater die Wahrheit über diesen Ort gesagt hatte, dann lag er nun in all seiner Maßlosigkeit vor ihm.
    Unter Tarik gähnte eine Dunkelheit, die bis zur anderen Seite der Welt reichen mochte; es hätte keinen Unterschied gemacht. An ihrem Grund glühten vereinzelte Lichtpunkte, als hätte sich ein Stück Nacht in diesen Abgrund verirrt. Tatsächlich handelte es sich wohl um Feuer, die weit, weit entfernt am Boden der Höhle brannten. Was immer sie dort unten erhellten, blieb von hier oben aus unsichtbar, zu verschlingend war die Schwärze ringsum.
    Zahllose Dschinne schwebten in unterschiedlichen Höhen durch die Finsternis, die meisten in geordneten Formationen wie Zugvögel. Viele von ihnen trugen Fackeln, sodass die Höhle von glühenden geometrischen Mustern durchzogen war: Dreiecken und Linien aus flackernden Lichtpunkten, die sich auf unsichtbaren Bahnen zwischen den Hängenden

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