Sturmkönige 01 - Dschinnland
konnte kaum Zeit vergangen sein, seit sie neben dem Mädchen auf die Knie gesunken war; es kam ihr vor wie eine Ewigkeit.
Kanaias Augen weiteten sich abermals.
Sabatea weinte lautlos.
Ein spasmisches Zucken raste durch den schmächtigen Körper in ihren Armen. Ein heißes Seufzen an ihrer Haut. Kanaias Pupillen wurden auf einmal so groß wie Käfer. Dann senkte sie langsam die Lider und schlief ein. Blut pulsierte einen Augenblick länger aus ihrer Wunde, schließlich erlahmte das sanfte Pumpen und wurde zu einem steten Rinnsal.
Sabatea zog die Tote mit einem Schluchzen an sich, vergrub das Gesicht in ihrem Haar und weinte. Irgendwo in einer anderen Welt rief Junis ihren Namen. Dschinne brüllten. Menschen schrien durcheinander.
Dann packte jemand sie an der Schulter. Ihr blieb gerade noch Zeit, Kanaias Kopf vorsichtig am Boden abzulegen, bevor Dschinnklauen sie von der Leiche fortzerrten, zurück zum Kreis der anderen, zurück zu Junis. Sie brachte keinen Laut hervor, als sie hart auf den Fels geworfen wurde, unmittelbar vor seine Füße.
Er half ihr hoch und stützte sie, als er sie von den Dschinnen und Menschen fort zum Rand der Kuppel führte. Anderswo wurden auch die übrigen Gefangenen von dem ausgebreiteten Fangnetz am Boden getrieben. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Dschinne es anhoben und beim Aufstieg zusammenzurrten. Kanaia lag ganz allein darin, stieg einsam in die Höhe auf und entschwand durch die Gitteröffnung in die ewige Nacht des Grottenhimmels.
»Sie starren dich an, als hättest du sie getötet«, stieß Junis verächtlich aus. Er hielt sie noch immer im Arm. In seiner Stimme lag eine Entschlossenheit, die verriet, dass er sie um jeden Preis verteidigen würde.
»Sie haben nur Angst vor ihrem Blut«, flüsterte sie.
Er machte keine Anstalten, sie deswegen loszulassen.
Sie presste die Wunde an ihrem Arm fest gegen ihre Seite. Die Blutung würde bald versiegen. Ihre Tränen hingegen liefen noch immer, ihre Augen quollen über davon, und sie konnte nichts dagegen tun.
»Mach dir keine Gedanken«, sagte sie leise. »Sie war nicht die echte.«
»Nicht die echte?«, wiederholte er stockend.
Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. »Alles… eine Farce. Sie war nur ein Mädchen aus dem Palast. Irgendein Mädchen. Das Ganze war nur eine Lüge mehr, um das Volk ruhigzustellen.«
»Dann hat es nie eine Vorkosterin gegeben? Die Geschichten über das Gift in ihren Adern… das war alles nur eine Legende?«
»Nein«, flüsterte sie. »Die Wahrheit.«
Hinter ihr wurde abermals Lärm laut, ehe Junis weiterfragen konnte. Sabatea hörte die raue Stimme des Dschinnhauptmanns. Er und drei weitere Krieger schwebten heran. Sein Finger deutete unmissverständlich auf sie.
»Du!«, fuhr er sie an. »Du kommst mit uns!«
Der Dritte Wunsch
Tarik stieß einen wütenden Schrei aus und warf sich tobend gegen seine Fesseln.
Die Dschinne hatten ihn zurück in die Halle des Narbennarren gebracht und mit gespreizten Armen und Beinen an die steinharten Strähnen der Wand gefesselt. In seinem Schädel hämmerte und pochte es ohne Unterlass. Die Stimme des Narbennarren schnitt wie ein Messer durch seinen Verstand.
»Du musst jetzt eine Entscheidung treffen«, sagte Amaryllis. »Gegen Maryam – oder gegen sie.«
Sabatea wurde von zwei Dschinnen an den Armen hereingetragen. Im ersten Augenblick erkannte er sie kaum. An ihrem Körper schien es keinen Fingerbreit zu geben, der nicht mit Blut besudelt war. Selbst ihr Gesicht glänzte dunkelrot. Ihr langes Haar war verklebt, ihr Kopf nach vorn gesunken. Sie war bewusstlos oder tot.
»Was habt ihr mit ihr gemacht?«, schrie er außer sich. »Was hast du ihr angetan?«
Amaryllis stand noch immer auf dem fliegenden Teppich und schwebte wenige Handbreit über dem Boden, halb von loderndem Fackelschein beschienen, halb von Schatten umwoben. Tarik hatte ihn noch immer nicht ins Muster greifen sehen. Seine Magie war stark genug, den Teppich kraft seiner Gedanken zu steuern.
Die Dschinne legten Sabatea fünf Schritt vor Tarik am Boden ab. Ein dritter mit weißblondem Haarschweif erstattete dem Dschinnfürst unterwürfig Meldung, dann schwebten alle drei durch das verzogene Portal der Halle davon. Vier weitere Dschinne, die rechts und links des Ausgangs Wache hielten, blickten unverwandt herüber.
»Das meiste ist nicht ihr eigenes Blut«, sagte Amaryllis.
Tariks ganzer Körper schmerzte. Die Schnitte und anderen Wunden, die sie ihm zugefügt
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