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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Richtung, in der Sabatea nichts als Finsternis erkannte. »Hast du dich nicht gewundert, warum wir die ganze Zeit Schreie hören?«
    Sie bekam eine Gänsehaut. »Das sind die Menschen in den äußeren Pferchen?«
    Junis nickte. »Sie werden nicht sofort dorthin gebracht. Vorher tun die Dschinne etwas mit ihnen.«
    »Tun? «
    »Keiner weiß genau, was. Und niemand hat einen von ihnen gesehen, nachdem es passiert ist.«
    »Etwas, das sie Tag und Nacht schreien lässt?« Ihre Übelkeit kehrte auf einen Schlag zurück.
    »Die Nomaden haben die Sklaven, die die Dschinnheere begleiten, nur aus der Ferne gesehen. Aber sie sagen, sie waren wie Kettenhunde. Tollwütige Kettenhunde, die nur darauf gewartet haben, dass sie endlich losgelassen werden.«
    »Zarathustra!«, stieß sie aus. »Sie rauben ihnen ihren Willen.«
    Er deutete wieder in die Dunkelheit, aus der Höhlenwinde das diffuse Geschrei herüberwehten. »Wer einmal dort draußen am Rand gelandet ist, der kehrt nicht mehr zurück«, sagte er leise.
    »Ich wusste schon, warum ich nicht mit deinen Freunden reden wollte.«
    »Ich hab dir das nicht erzählt, um dir Angst zu machen.«
    »Ich weiß.« Nach einem Augenblick fügte sie hinzu: »Aber was zum Teufel lässt dich glauben, dass ich jetzt weniger von hier fliehen will als vor ein paar Minuten?«
    Seine Augen weiteten sich, als er etwas hoch über ihrer Schulter erblickte. Sie fuhr herum und sah, was er entdeckt hatte.
    Durch die Öffnung in der Kuppel wurde ein tropfenförmiges Fangnetz herabgelassen, in dem ein Pulk aus Menschen mit verdrehten Armen und Beinen hing, mit aufgerissenen Augen und blutigen Striemen auf Gesichtern und nackter Haut, wo das Netz sie während des Fluges wundgescheuert hatte. Mehrere Dschinne schwebten über ihnen durch die Öffnung und senkten das Netz zu Boden. Weitere folgten ihnen, um die geschwächten Gefangenen aus den Maschen zu fädeln. Lanzenträger bildeten einen Kreis und hielten die Menschen im Pferch auf Abstand.
    Junis packte Sabatea und zog sie ans Gitter. Sie stolperte hinter ihm her, konnte aber den Blick nicht von den Neuankömmlingen wenden. Die meisten waren Frauen, aber es gab auch ein paar Männer darunter, Verletzte in zerfetzter, blutgetränkter Soldatenkluft, die meisten von ihnen zu schwach, um aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen. Die Frauen trugen Kleider, die nicht für eine Reise durchs Dschinnland gedacht gewesen waren, früher einmal farbenfroh und kostbar, jetzt beschmutzt, besudelt und zerrissen. Einige weinten hysterisch, andere stierten stumm ins Leere. Sabatea entdeckte ein Mädchen, das sich schweigend ganze Haarsträhnen ausriss; Teile ihres Schädels waren kahl und blutig. Eine andere junge Frau hatte einen Keulenschlag ins Gesicht bekommen, der ihre Züge in eine blauschwarze geschwollene Masse verwandelt hatte. Für Dschinne gab es keinen Ehrenkodex, keine Gnade für Frauen und Kinder. Viele dieser Menschen sahen nicht aus, als würden sie aus eigener Kraft aufstehen können. Augenscheinlich hatten die Dschinne nach ihrem Angriff jeden ins Netz geworfen, der noch atmete, um erst später eine Auswahl zu treffen, wer von Nutzen war und wer nicht.
    »Ich kenne diese Menschen«, flüsterte Sabatea.
    Es dauerte nur einen Herzschlag, ehe Junis begriff.
    Sie nickte langsam. »Die Karawane aus Samarkand.«

 
Die Vorkosterin
 
 
    Inmitten des Menschenknäuels entstand Aufruhr.
    Eine Frau begann zu kreischen, andere stimmten mit ein.
    Ein Mann sprang auf und riss sich die letzten Kleiderfetzen vom Leib, wischte panisch mit den Händen über seine bloße Haut – Blut, da war überall Blut! – und fiel auf die Knie, in dem vergeblichen Versuch, Finger und Handflächen am Felsboden sauber zu wischen.
    Die Dschinne brüllten in ihrer unverständlichen Sprache auf die Menschen ein, aber was immer sie riefen, niemand hörte darauf. Ein Dschinn mit einer ungewöhnlichen Skalptrophäe aus hellblondem Haar stieß andere Krieger beiseite und schwebte hoch über die Köpfe der Gefangenen, genau über das Herz des Aufruhrs. »Still!«, brüllte er mit schwerem Akzent. »Ihr alle still!«
    »Also gibt es doch welche, die unsere Sprache sprechen«, flüsterte Junis.
    Immer mehr Menschen strömten jetzt kriechend oder auf allen vieren auseinander. Irgendetwas in ihrer Mitte flößte ihnen eine solche Angst ein, dass selbst die Waffen der Dschinne für sie an Schrecken verloren. Der Kreis der Wächter, eben noch nach außen gewandt, um die Männer und Frauen im

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