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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Frisches Blut füllte ihr Nagelbett, ein hellroter Halbmond. Die andere Hand presste sie hilflos auf die tiefe Wunde. Sie spürte weiche Organe unter ihren Fingern. Blut wurde heiß in ihren Schoß gepumpt. Ihre weite Hose, irgendwann einmal weiß, war durchtränkt, das kurze Hemd klebte nass an ihrem Körper.
    »Ihr Blut ist Gift!«, kreischte eine Frau. Ihre Stimme übertönte alle anderen. »Schlangengift fließt durch ihre Adern!«
    Eine neue Woge des Entsetzens lief durch den Ring der tobenden Gefangenen. Viele gaben ihre Gegenwehr auf, einige erstarrten. Die Dschinne schlugen weiter auf sie ein, doch ein scharfer Befehl ihres Anführers beendete den Kampf. Schlagartig drängte niemand mehr gegen den Ring der Bewacher. Alle standen, kauerten oder lagen da und gafften die beiden jungen Frauen in ihrer Mitte an. Keiner war ihnen näher als drei oder vier Schritt, auch Junis nicht, der voller Grauen auf Sabatea und das fremde Mädchen starrte.
    »Ich… kenne dich«, kam es wie ein Hauch über die Lippen des Mädchens.
    Sabatea nickte langsam. Kanaia mochte noch Stunden, vielleicht Tage leben, falls die Wunde gründlich gereinigt und verbunden wurde. Aber hier unten gab es keine sauberen Stoffe und erst recht keine Heilkräuter, um wenigstens den Schmerz zu lindern. Nur Schmutz, Asche und wahrscheinlich genug ansteckende Krankheiten, um ein Nomadenvolk damit auszurotten.
    Kanaia würde Höllenqualen leiden, vielleicht einen Tag lang oder zwei, und dann würde sie sterben. Niemand überlebte eine solche Verletzung. Vor allem nicht in einem Dreckloch wie diesem.
    »Es war nicht… meine Schuld«, flüsterte das Mädchen.
    »Ich weiß«, erwiderte Sabatea sanft. »Du hast alles richtig gemacht.«
    »Nicht meine…« Kanaia brach ab, sammelte sich. »Es tut mir… leid.«
    »Es gibt nichts, das dir leid tun müsste.«
    »Ich wollte… dass er stolz ist auf…«
    »Denk nicht an ihn. Denk an den Sonnenaufgang über den Palastdächern. An den warmen Wind von den Hängen des Pamir. Denk an die Musik, die Spiele und den Jasmin in den Gärten.«
    »Ja… die Musik…«
    Sabatea wischte sich mit der blutigen Hand die Tränen fort, aber sie konnte nicht aufhören zu weinen. Kurz sah sie über die Schulter und begriff, dass Junis jeden Moment heranstürmen und damit abermals den Zorn der Dschinne über sie alle bringen würde.
    »Tut mir leid«, raunte Kanaia erneut.
    Sabatea spürte die Blicke all dieser Menschen auf sich, auch die der Dschinne, und sie wusste, dass sie jetzt etwas tun musste. Bald würde man sie mit Gewalt von dem Mädchen fortreißen, vielleicht würden die Dschinne Kanaia fortbringen, in irgendeine Grube werfen, wo sie stundenlang leiden musste, ehe der Tod sie endlich erlöste. Oder sie würden versuchen, sie auszuhorchen, und Kanaia würde reden. Würde ihnen mit letzter Kraft eine Geschichte erzählen, Namen nennen. Dinge, von denen niemand hier erfahren durfte. Kanaia war die Einzige, die davon wusste. Sie und Sabatea. Niemand sonst.
    Fest an den Körper des Mädchens gepresst, riss sie sich mit einem Fingernagel eine Kruste an der Innenseite ihres Arms herunter, eine der vielen winzigen Verletzungen, die sie davongetragen hatte, als die Dschinne sie eingefangen hatten. Es war nur eine Schürfwunde, lächerlich im Vergleich zu dem, was Kanaia erleiden musste. Sie kratzte die Kruste beiseite und sah, wie sich ihr eigenes Blut in das fremde auf ihrer Haut mischte.
    Sie blickte sich um, sah zu Junis. Ein Dschinn hielt ihn jetzt mit einer Lanze in Schach. Sie spürte über sich noch immer die Nähe des schwebenden Anführers, meinte ihn sogar riechen zu können, sah aber nicht hin. Sie glaubte nicht, dass er hatte sehen können, was sie getan hatte.
    »Das hätte alles nicht geschehen dürfen«, flüsterte sie Kanaia zu.
    Die Augen des Mädchens liefen über von rosafarbenen Tränen. Sabateas eigene tropften auf Kanaias Wange hinab.
    »Stolz auf mich…«, murmelte das Mädchen.
    »Ja«, brachte Sabatea unter größter Überwindung hervor. »Er ist jetzt ganz sicher stolz auf dich.« Und sie dachte: Dafür hat er Schlimmeres als den Tod verdient. Schlimmeres als die Hölle.
    Sie zog den Kopf des Mädchens sachte ein wenig höher in ihren Schoß, und dabei presste sie wie beiläufig die offene Wunde an ihrem Arm auf Kanaias Lippen. Ihr eigenes Blut lief in den Mund des Mädchens, nur ein dünnes Rinnsal, kaum mehr als ein paar Tropfen.
    Sie schloss die Augen. Um sie herum war die Welt zu Eis erstarrt. Es

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