Sturmkönige 01 - Dschinnland
ist in den Bergen.«
»Du lügst.«
»Nein. Sie versteckt sich in den Elburzbergen.« Bei seinem letzten Schmuggelritt nach Bagdad war das Elburzgebirge wie ausgestorben gewesen, abgesehen von Dschinnpatrouillen und anderen Kreaturen der Wilden Magie, die sich dort eingenistet hatten.
»Du wirst meine Krieger zu ihr führen«, sagte Amaryllis. »Und zu dem Jungen.«
»Welchem Jungen?«, fragte er benommen, bevor ihm durch wogende Schmerznebel klar wurde, dass er einen Fehler begangen hatte.
Amaryllis stieg mit einem zornigen Schritt vom Teppich und machte eine ungeduldige Handbewegung. Schneller als Tariks Augen ihm folgen konnten, raste der fliegende Teppich wie ein Geschoss auf Sabatea zu, die gerade mühsam ihren Oberkörper aufrichtete. Die Teppichkante prallte gegen ihre Schulter und schleuderte sie zwei Schritt zur Seite. Sabatea kam verdreht am Boden auf, zu schwach für einen Schmerzensschrei. Der Teppich schlug einen Haken und schwirrte erneut auf sie zu, stellte sich mit einem Mal aufrecht in die Luft und schwebte über ihrer ungeschützten Taille wie ein Fallbeil. Amaryllis hatte einen Arm ausgestreckt und kontrollierte den Teppich allein durch seinen Willen. Tarik wusste genau, wie hart die Kante sein konnte; sie würde Sabatea in zwei Hälften schneiden, wenn Amaryllis sie in diesem Winkel und mit aller Kraft auf sie hinabschleuderte.
»Ich weiß«, sagte Amaryllis zu Tarik, während der Teppich im Hintergrund erzitterte, »dass das Menschenjunge bei ihr ist. Ich weiß auch, welche Macht es besitzt. Aber du wirst mich zu ihr führen, und sie mich zu ihm.«
Tarik hatte keine Ahnung, wovon Amaryllis sprach. Was wollte der Dschinnfürst von einem Kind? Kurz vorm Delirium überfielen ihn die aberwitzigsten Vermutungen. Maryams Kind? Sein Kind? Nein, gewiss nicht. Sie war nicht schwanger gewesen, als sie getrennt worden waren; damals, als sie aus seinem Leben verschwunden war und ein strudelndes Nichts zurückließ, das all seine Hoffnungen und Pläne verschlungen hatte.
Der Teppich ruckte in die Tiefe.
»Nein!«
Sabatea lag mit angezogenen Knien auf der Seite. Die Teppichkante berührte ihren Oberkörper unterhalb der Rippen – und blieb abermals in der Luft stehen. Auf einen Wink des Dschinnfürsten hob sich der Teppich wieder.
Amaryllis sah seinen Gefangenen erwartungsvoll an. Er lächelte wieder.
Alles in Tarik schrie, dass es falsch war; dass er nichts über Maryam oder irgendein Kind wusste; und dass es nicht lange dauern konnte, ehe Amaryllis seine Lügen durchschaute. Aber er hätte in diesem Augenblick alles getan, um einen Aufschub zu bekommen. Zeit, um zu überlegen, wie er Sabatea retten konnte.
Das alles war völliger Wahnsinn. Er war hergekommen, um Junis zu befreien. Und weil die Begegnung mit dem Sklaventransport in ihm die vage Hoffnung entzündet hatte, Maryam vielleicht doch noch wiederzusehen. Eine Hoffnung, die von Amaryllis’ Interesse an ihr weiter angeheizt worden war. Jetzt aber, hier in der Halle des Narbennarren, war Sabatea mit einem Mal die Einzige, die zählte. Als es schien, die Welt könnte nicht dunkler und ihre Lage nicht verzweifelter werden, schwor er sich, dass er sie niemals im Stich lassen würde. Er würde nicht noch jemanden an den Narbennarren verlieren.
»Ich tue alles, was du verlangst«, stöhnte er und bemühte sich, aufrichtig zu klingen. »Solange du sie nur endlich in Ruhe lässt.«
Der Teppich fiel.
Aber er verlor dabei seine Festigkeit und senkte sich wie eine Decke über Sabatea. Sie lag einen Moment lang still, bewegte sich dann schwerfällig, erschlaffte erneut und schob ihn schließlich mit Armen und Beinen von sich.
Amaryllis’ Mundwinkel waren eingerissen wie gebrochenes Leder. Aber er konnte sie noch immer zu jenem unmenschlichen Grinsen verziehen, das Tarik mehr verstörte als all die anderen Entstellungen.
Der Dschinnfürst baute sich vor ihm auf und schob einen ausgestreckten Zeigefinger unter seinen Kopf. Tarik spürte, wie sich die gesplitterte Spitze eines Fingernagels in die Haut unter seinem Kinn bohrte.
Als Amaryllis wieder sprach, betonte er die Worte langsam und lauernd. »Was weiß Maryam über den Dritten Wunsch?«
Das Blut sackte aus Tariks Schädel hinab in seine Glieder. Darauf wusste er keine Antwort. Ihm war schmerzlich bewusst, dass eine Gegenfrage so aussichtslos war wie jeder Versuch, etwas abzustreiten oder zu leugnen. Der Narbennarr fürchtete Maryam, daran hatte er keinen Zweifel mehr, und ihn selbst hielt
Weitere Kostenlose Bücher