Sturmkönige 01 - Dschinnland
hatten, brannten und stachen, aber sie waren alle nur oberflächlich. Hatten die Dschinne Sabatea einer ähnlichen Behandlung unterzogen? Die Vorstellung machte ihn rasend vor Wut und Hilflosigkeit.
»Warum bewegt sie sich nicht?« Einmal mehr riss er vergebens an seinen Fesseln.
»Sie wird bald erwachen«, sagte Amaryllis. »Offenbar hat sie sich ein wenig zu heftig zur Wehr gesetzt.«
Sie hatten sie bewusstlos geschlagen! Tarik bekam vor Abscheu und Zorn kein Wort mehr heraus.
Amaryllis schwebte auf Sabatea zu, ging am Rand des Teppichs in die Hocke und beugte sich zu ihr hinab. Der Saum seines dunklen Gewandes senkte sich über ihren Körper. Tarik musste sich unter beißendem Schmerz in den Fesseln verdrehen, bis er zumindest ihr Gesicht wieder sehen konnte.
»Wage es nicht, sie anzufassen!«, ächzte er.
Der Dschinnfürst legte seine Hand auf ihr blutverklebtes Haar, murmelte etwas und zog den Arm zurück. Sabatea stieß ein Stöhnen aus, rollte sich wie unter einem Tritt herum, hustete erbärmlich und erbrach Speichel und Galle auf den Boden. Ihr benommener Blick fiel auf den Narbennarren – und ignorierte ihn nach einer Schrecksekunde mit beneidenswerter Selbstbeherrschung. Blinzelnd sah sie zu Tarik herüber.
Sie flüsterte etwas, vielleicht nur einen Fluch. In ihren Augen stand eine nervöse Mischung aus Erleichterung und Grauen.
Amaryllis griff ihr ins Haar, richtete sich auf und zerrte sie zugleich mit einem derben Ruck nach oben. Sabatea schrie auf und verlor den Boden unter den Füßen, als der Dschinnfürst sie mit der anderen Hand am Nacken packte und frei in der Luft baumeln ließ.
Sein gesundes Auge richtete sich auf Tarik. »Wo ist Maryam?«
»Nicht… so«, stöhnte Tarik.
Amaryllis schüttelte verständnislos den Kopf. »Es liegt in deiner Macht, ihre Pein zu beenden. Ich lege die Möglichkeit dazu in deine Hand. Warum nutzt du sie nicht?« Während er die strampelnde Sabatea mit der rechten Klaue im Genick festhielt, zog er mit der Linken am Haar ihren Kopf zurück und drohte ihn zu überspannen. Sabateas Gegenwehr erlahmte. Der Dschinnfürst zog sie näher heran und beugte sich über ihre entblößte Kehle.
»Nein!«, schrie Tarik.
Amaryllis riss den Mund so weit auf, dass sich die Narben in seinen Mundwinkeln wie Membranen spannten.
Aber er biss nicht zu. Vielmehr leckte er mit seiner gestohlenen Menschenzunge über Sabateas nackten Hals. Die Zungenspitze zog eine hellrosa Spur durch das getrocknete Blut, wanderte unter ihrem Kinn hinauf, berührte ihre Lippen.
Sabateas Hand stieß nach vorn. Sie bekam seinen Kehlkopf zu fassen – und drückte mit aller Kraft zu.
Einen Mann hätte sie mit diesem Griff in Windeseile außer Gefecht gesetzt – lernten die Frauen das im Palast? –, aber der Narbennarr nutzte seinen zusammengestückelten Menschenkörper nur wie ein Gewand. Als Sabatea seinen Adamsapfel zusammenpresste und herausriss, blieb er ungerührt stehen und presste seine vernarbten Lippen weiterhin auf die ihren.
»Lass sie in Frieden!«, brüllte Tarik und scheuerte sich an den Stricken die Haut auf. Er zögerte nur den Bruchteil eines Augenblicks. »Ich sage dir alles, was du wissen willst«, fügte er dann hasserfüllt hinzu.
Der Narbennarr schwenkte Sabatea am ausgestreckten Arm von sich fort, leichthändig wie eine Puppe. Sie spuckte und spie, während ihre Hand noch immer seinen Kehlkopf hielt wie eine glitzernde, geschälte Frucht. Amaryllis blickte das Ding in ihren Fingern fast amüsiert an und berührte dann mit der freien Hand das klaffende Loch in seinem Hals. Er wollte etwas sagen, aber die Luft entwich aus der Wunde, und seine Worte wurden zu einem tonlosen Keuchen. Ungehalten entriss er Sabatea den Adamsapfel, schob ihn zurück in den Spalt und wischte wie beiläufig mit der Handfläche darüber. Tarik sah aus der Ferne und im Fackelschein nur ein kurzes Gewimmel auf der Kehle des Dschinnfürsten, dann verebbte die Bewegung, und die Wunde war wieder geschlossen. Nur eine Narbe mehr, wulstig und schillernd wie all die anderen.
Amaryllis stieß Sabatea zu Boden. Stöhnend prallte sie auf und blieb liegen.
Der Narbennarr schoss mit dem Teppich auf Tarik zu, blieb unmittelbar vor ihm in der Luft stehen und starrte ihn aus dem hellblauen Auge an, kalt wie ein Eiskristall.
»Genug davon«, sagte er leise. »Wo versteckt sie sich? Und was hat sie vor?«
Tarik blieb keine Zeit zum Nachdenken. Weil es das Erste war, das ihm einfiel, erwiderte er: »Elburz. Sie
Weitere Kostenlose Bücher