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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Etwas war anders als zuvor. Die zahllosen Dschinntrupps, die er bei seiner Ankunft in der Leere entdeckt hatte, waren jetzt hoch über ihnen, wimmelten unter der Höhlendecke wie ein Insektenschwarm. Sie hatten sich rund um die Öffnung versammelt, die in den Tunnel zur Oberfläche führte. Es herrschte reges Kommen und Gehen. Etwas hatte die Dschinne in Alarmbereitschaft versetzt.
    Lautes Rauschen und Wasserprasseln lenkte ihn ab. Vor ihnen loderte eine Reihe aus Lichtpunkten, die von der Decke des Höhlendoms hinab in die Tiefe führten. Im Näherkommen erkannte er, dass jede Fackel an einem schalenförmigen Wasserbecken befestigt war, etwa fünf mal fünf Schritt im Durchmesser. Die Becken ragten wie geöffnete Hände waagerecht aus der Felswand und waren nicht aus Stein, sondern aus dem gleichen Material gefertigt wie die Hängenden Städte – uralte Relikte der Roch.
    Eine Wassersäule prasselte aus jedem Becken in das darunter liegende, ein kristallklarer Sturzbach, der irgendwo im Berg über ihnen entspringen musste und auf dem Weg in die Tiefe umgeleitet worden war. Bei den Becken selbst schien es sich um Tränken zu handeln, die von den Roch in der Felswand verankert worden waren. Tarik stellte sich vor, wie die Vogelmenschen mit verschränkten Flügeln auf den Rändern gesessen und sich zum Wasser hinabgebeugt hatten wie riesenhafte Falken.
    Die Reihe der Tränken im Flammenschein wirkte von hier oben aus endlos. Die Dschinne hatten längst nicht alle Wasserreservoirs mit Fackeln bestückt, aber die Tatsache, dass sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatten, bewies, dass auch sie auf Trinkwasser angewiesen waren. Vergiftete Flüsse wie der Amu Darja waren womöglich gar nicht auf ihr Treiben zurückzuführen. Vielleicht hatte der Ausbruch der Wilden Magie noch Schlimmeres bewirkt, als bisher alle angenommen hatten.
    Die vier Dschinne trugen Sabatea und ihn über den Rand eines Beckens und ließen sie nebeneinander ins Wasser fallen. Es war nicht tief, kaum mehr als hüfthoch, aber so kalt, dass Tarik für Augenblicke der Atem stockte. Hinter ihnen, näher an der Wand, prasselte der Sturzbach von oben herab und brachte die Oberfläche zum Schäumen. Ein heftiger Sog drohte Tarik zur Seite zu reißen, hinüber zu einer nasenförmigen Rinne, die ein Stück weit über den Beckenrand hinausragte und das überlaufende Wasser in die nächst tiefere Tränke ableitete. Für einen Moment sah es aus, als würde Sabatea von der Strömung gepackt, aber er bekam sie am Arm zu fassen und zog sie zurück. Beide fanden festen Untergrund unter den Füßen, klammerten sich aneinander und standen für eine Weile eng umschlungen inmitten des Beckens, während das Wasser strudelnd um ihre Leiber schäumte.
    Ein Dschinn brüllte sie an. Gleich darauf knallte eine Peitsche unmittelbar neben Tarik auf die Wasserfläche. Er fuhr zornig herum, wünschte dem Dschinn die Lepra an den Hals, flüsterte aber Sabatea zu: »Wenn sie uns schon die Gelegenheit dazu geben, können wir uns ebenso gut das Blut herunterwaschen.«
    Sie nickte, löste sich von ihm und begann, sich aus ihrer krustigen Kleidung zu schälen. Sie schwankte ein wenig, gab ihm aber zu verstehen, dass sie ohne Hilfe zurechtkäme. Eilig folgte er ihrem Beispiel, bis sie beide nackt im Becken standen und mit bebenden Händen Wasser über ihre Schultern und Arme schöpften.
    Die Kälte betäubte seine Wunden und Prellungen. Er konnte nicht abschätzen, wie viel Blut er verloren hatte. Immerhin hatten sich all die winzigen Schnitte mittlerweile geschlossen, und selbst wenn das Wasser ein paar Krusten ablösen mochte, waren die Blutungen doch größtenteils versiegt.
    Besorgt sah er zu, wie rosa Schleier über Sabateas Körper strömten. Darunter kamen Abschürfungen und Kratzer zum Vorschein, aber keine ernsthaften Verletzungen. Amaryllis hatte die Wahrheit gesagt: All das Blut war nicht ihr eigenes.
    Während sie sich wuschen, erzählte ihm Sabatea im Flüsterton von Junis und den Sklavenpferchen. Es kostete ihn Überwindung, seine Erleichterung vor den Dschinnen zu verbergen. Im Gegenzug berichtete er ihr von dem, was der Narbennarr gesagt hatte, und schließlich, sehr leise, von Maryam. »Ich soll die Dschinne zu ihr führen«, sagte er, weil er nicht sicher war, ob sie Amaryllis’ Vorhaben in der Halle mit angehört hatte. Sie schenkte ihm einen besorgten Seitenblick, stellte aber keine Fragen.
    Eine Bewegung in der Dunkelheit des Abgrunds erregte seine Aufmerksamkeit.

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