Sturmkönige 01 - Dschinnland
Ein Koloss von einem Dschinn schwebte auf sie zu, fünfmal so groß wie ihre Bewacher und so schwarz, als hätte man ihn mit Pech übergossen. Möglich, dass es derselbe war, den Tarik bereits bei seiner Ankunft beobachtet hatte. Er trug keine geflammten Male auf der Haut und war unbewaffnet. Seine Klauen aber waren so groß wie ein Mensch, seine Pupillenschlitze lang wie Schwerter.
Einer der Krieger brüllte etwas, das der Riesendschinn mit einem zornigen Fauchen beantwortete. Dann riss er das Maul auf, schob den Unterkiefer hinab bis auf die Brust und zeigte einen Schlund, der groß genug war, ein Kamel zu verschlingen. Seine Zähne waren spitz und zahlreich, sein Atem eine heiße Woge aus fauligem Gestank.
Die Krieger blieben unbeeindruckt. Sie beschimpften den schwarzen Koloss, drohten ihm mit ihren Lanzen und forderten ihn auf, das Weite zu suchen. Der Riese knurrte und spuckte in ihre Richtung, schien sich aber vor ihren Drohungen zu fürchten. Schließlich flog er unter dem höhnischen Gelächter der Krieger davon.
»Das ist ein Ifrit«, flüsterte Tarik. »Ein Wunschdschinn. Solche wie ihn gab es schon lange vor dem Ausbruch der Wilden Magie und dem Auftauchen der Dschinnarmeen.«
Sabatea blickte dem schwarzen Giganten hinterher, bis er in der Finsternis verschwunden war. Jedes Kind kannte die alten Geschichten über Geister, die den Sterblichen Wünsche gewährten, aber es hätte Tarik überrascht, wenn Sabatea einem leibhaftigen Ifrit jemals begegnet wäre.
»Der hat nicht ausgesehen, als würde er die Wünsche eines Menschen erfüllen«, murmelte sie und fuhr fort, sich zu waschen.
»Man muss ihn wohl freundlich darum bitten.«
»Er hatte Angst vor den anderen.«
»Ich bin zweimal einem wie ihm begegnet, draußen in der Karakum, und beide Male haben sie mich in Frieden ziehen lassen. Sie jagen Menschen gerne Angst ein, das haben sie schon früher getan, aber sie greifen selten an. Sie sind nicht besonders gescheit, aber sie sind auch keine reißenden Bestien wie die übrigen Dschinne. Dafür teilen sie sich die Welt zu lange mit uns Menschen. Ich glaube nicht, dass es ihnen gefallen hat, als eines Tages Dschinnfürsten wie Amaryllis mit ihren Armeen aufgetaucht sind und das große Töten begonnen hat.« Er seufzte leise. »Sie sind wie zurückgebliebene Kinder, die sich schnell zu Streichen und anderem Unfug überreden lassen. Deshalb gewähren sie den Menschen Wünsche und erfüllen sie mit Hilfe ihrer Magie, soweit es in ihrer Macht steht. Es heißt, sie können Gold und Edelsteine erschaffen, vielleicht auch einen Liebeszauber wirken, aber zu viel mehr ist ihre Magie nicht nütze.«
Etwas landete neben ihnen im Wasser. Ein Knäuel aus Kleidern, weit mehr als nur für zwei Menschen, wahllos zusammengerafft von einem Dschinn, der aus dem Dunkel herangeschwebt war und sich nun zu ihren vier Bewachern gesellte. Ausdruckslos starrten sie auf die beiden Gefangenen hinab.
Einmal mehr bewunderte Tarik Sabatea für die äußere Ruhe, hinter der sie ihre Gefühle verbarg. Sie zitterte nur ein wenig, vielleicht vor Kälte, während sie sorgfältig das fremde Blut herunterwusch, mehrfach den Kopf ins Wasser tauchte, um ihr verklebtes Haar zu säubern, und dabei durch nichts verriet, dass die fünf Krieger ihr mehr als lediglich Respekt einflößten.
Tarik ließ die Dschinne nicht aus den Augen, während er das Kleiderknäuel aus der Strömung pflückte und auf der Suche nach brauchbaren Stücken durchsuchte. Es war die Kleidung von Toten, aber er verspürte keine Skrupel. Die Menschen, denen sie einst gehört hatte, hatten keine Verwendung mehr dafür.
Die meisten Sachen stammten augenscheinlich von Wüstenbewohnern, und alle waren verschlissen und schmutzig. Beinahe war er dankbar, dass der Dschinn sie so verächtlich ins Wasser geworfen hatte, wo zumindest der gröbste Dreck herausgewaschen wurde. Er nahm sich nicht viel Zeit, die besten Stücke herauszusuchen. Was ihm in die Hände fiel und einigermaßen unversehrt erschien, reichte er an Sabatea weiter. Sie schlüpfte in eine sandfarbene Hose und ein Hemd, Sachen, die vermutlich einst Nomadenjungen gehört hatten. Er selbst streifte sich ähnliche Kleidung über, ebenso schlicht und abgenutzt. Statt eines Gürtels band er sich ein Stück Seil um die Hüfte, das zwischen die Kleider geraten war.
Einer der Dschinne rief etwas. Tarik dachte, es gälte Sabatea und ihm. Doch als er aufblickte, waren ihre Bewacher in helle Aufregung verfallen und
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