Sturmkönige 03 - Glutsand
panische Laute erklangen. Die Zauberrösser aus der Schlucht hatten ihre gefangenen Artgenossen am Grund der Kluft längst mit ihrer Panik angesteckt, aber noch hielten die Gitter dort dem Tumult in ihrem Inneren stand. Das Schlagen so vieler Schwingen sorgte erst recht dafür, dass sich Staub und Sand in alle Richtungen verteilten.
Ein ohrenbetäubendes Tosen kam näher, ein Heulen wie von tausend Wüstengeistern. Die Staubschwaden wurden beiseitegefegt, und einen unwirklichen Augenblick lang herrschte klare Sicht. Sabatea löste ihren Blick von den Elfenbeinpferden, die nun endlich aufwärts strömten und die Spalten der Neststadt verließen. Sie sah nach links in die Schlucht, aus der die aufgescheuchten Zauberrösser herangeprescht waren.
Eine Säule aus rotierendem Staub tobte von dort heran, reichte vom Boden der Kluft bis über den Rand hinaus – achtzig, neunzig Meter hoch – und schnitt wie eine Klinge durch die letzten Taue und Stege, die den Ansturm der Pferde überstanden hatten. Der Wirbelsturm füllte nicht die gesamte Breite des Spalts aus und ließ die Bauten an den Wänden weitgehend unversehrt. Dennoch schmirgelte Sand schmerzhaft über die Gesichter all jener, die sich flach an die Felsen pressten und nicht rechtzeitig Schutz in den Nestbauten gesucht hatten.
Sabateas Herzschlag trommelte schneller, als sie ihre Hoffnung bestätigt sah. Verzweifelt suchte sie nach einem Weg, den Sturmkönig im Inneren der Windsäule auf sich aufmerksam zu machen. Sie sah ihn nur angedeutet dort oben im Zentrum des Trichters schweben, ein grauer Umriss im stillen Herzen dieses rotierenden Chaos.
Die Hängebrücke löste sich endgültig in ihre Bestandteile auf, als der Wirbelsturm vor Sabatea und den anderen auf der Stelle verharrte. Er raste nicht hinaus in die zentrale Kluft, vielleicht weil sein Lenker die Gehege am Boden entdeckt hatte und den Pferden nichts zuleide tun wollte. Stattdessen blieb die Windsäule vor ihnen stehen, wiegte sich hin und her wie eine Riesenschlange und begann schließlich, sich auf seltsame Weise zu verbiegen: Während der obere, breitere Teil weiterhin senkrecht stand, krümmte sich die Spitze unten in der Kluft zur Seite und schien an den Felsen emporzuklettern wie ein Finger, den jemand die Wand heraufschob.
Die Roch stürmten den Steg entlang nach links und rechts und waren gleich darauf im Staub verschwunden. Nur Crahac zögerte. Er sah, dass sich Sabatea nicht von der Stelle rührte. Auch Khalis, um den sich im Augenblick niemand mehr kümmerte, blieb an die Wand gepresst stehen, versuchte vergeblich, sich den Knebel an der Schulter abzustreifen, und zerrte an seinen Fesseln.
Sabatea kreuzte den Blick des Zeremonienmeisters. Die Vogelaugen des Roch verrieten seine widerstreitenden Gefühle: Furcht vor dem unnatürlichen Sturm, der die Neststadt heimsuchte. Neugier auf die Macht, die ihn lenkte. Wut über die Zerstörung, auch wenn das meiste davon durch die Elfenbeinpferde verursacht worden war, nicht durch den Wirbelsturm selbst.
Der Fuß der Windsäule war jetzt nicht breiter als ein Mensch und sprang vom Fels auf den Steg. Mit einem Mal schien es, als würde der gesamte Sturmtrichter nach unten gesaugt. Er verkürzte sich mehr und mehr, bis er sich schließlich vollständig auflöste. Statt seiner stand eine massige schwarze Gestalt vor Sabatea und Khalis. Um Nachtgesichts Füße drehte sich noch einige Male ein dünnes Lederband, kam schließlich zur Ruhe und blieb auf dem Steg liegen.
Noch immer war alles voller Staub, die Umgebung so gut wie unsichtbar. Crahac starrte den Afrikaner ungläubig an, während Sabatea vorsprang und Nachtgesicht um den Hals fiel. Der zeigte sein breitestes Grinsen, erwiderte die Umarmung mit überschwänglicher Herzlichkeit und deutete auf Khalis.
»Was ist mit ihm? Nehmen wir ihn mit?«
Khalis fluchte aufgebracht in den Knebel und gestikulierte mit Kopf und Schultern, weil er seine Hände hinter dem Rücken nicht frei bekam. Sabatea sah noch einmal zu Crahac hinüber.
Der Roch starrte Nachtgesicht an. Falls er von den Sturmkönigen gehört hatte, so hatte er mit Sicherheit noch keinen mit eigenen Augen gesehen. Der Zeremonienmeister war kein Krieger, sonst hätte er womöglich versucht, den Afrikaner anzugreifen und für die Verwüstungen zur Rechenschaft zu ziehen. So aber verriet seine Mimik vor allem Wissbegier, als der Gelehrte in ihm die Oberhand gewann.
»Vielleicht hast du Recht«, sagte er zu Sabatea, ohne den Blick von
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