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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wundheiler sein, um das zu erkennen. Sie sah keine offenen Brüche, aber die zerfetzte Hose bedeckte noch immer Teile seiner Schenkel. Da mochten durchaus noch weitere Verletzungen sein, und sie war nicht sicher, wie sie reagieren würde, wenn sie dort blanke, gesplitterte Knochen finden würde, die seine Haut und Muskeln durchstoßen hatten.
    Als sie neben ihm auf die Knie fiel, war ihr erster Impuls, sein Gesicht in die Hände zu nehmen, ihn zu streicheln, zu küssen und festzuhalten. Aber sie erinnerte sich gerade noch rechtzeitig an das Blut an ihren Fingern, ungewiss, ob es ihr eigenes war und ob es ihn auf der Stelle umbringen würde, falls es sich mit seinem vermischte.
    Es tat weh, ihn nicht berühren zu dürfen. Sie griff nach seinen Füßen, geschützt durch staubiges Leder, wollte vorsichtig seine Beine ausrichten, aber da schrie er vor Schmerz, was sie halb wahnsinnig machte, ihr aber zumindest zeigte, dass er auch jetzt noch lebte.
    »Er… er ist fort«, brachte er mühsam hervor.
    Sie rutschte zurück neben seine Schultern und neigte das Gesicht ganz nah über seines. »Was meinst du?«
    »Der Narbennarr… er ist fort.« Ein fahles Flackern, vielleicht der Versuch eines Lächelns, geisterte über seine blut- und schmutzbeschmierten Züge. »Hat sich… zurückgezogen… War enttäuscht, dass ich immer noch… lebe. Tot hätte ich es ihm… einfacher gemacht…«
    Sie verstand kaum, wovon er da redete. Amaryllis war fort? Wenn das stimmte und der Narbennarr ihn nicht nur täuschte, dann war das in alldem Leid und Elend ein Hoffnungsschimmer. Nur dass sie nicht ganz daran glauben konnte und die Angst um ihn ohnehin alle Erleichterung überschattete.
    »Ich kann dich nicht anfassen«, schluchzte sie. »Mein Blut… es ist überall an mir.«
    »Meine Beine… «
    »Täten sie nicht weh, wäre wahrscheinlich dein Rückgrat gebrochen.« Sie versuchte, beherrscht zu bleiben, sich selbst zu kontrollieren, und es gelang ihr bis zu einem gewissen Grad. Doch kostete sie jedes einzelne Wort Überwindung, und die Vorstellung, dass er womöglich im Sterben lag, brachte sie schier um den Verstand.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er.
    »Wenn das ein Abschied werden soll, dann mach dich auf was gefasst«, gab sie zurück.
    Wieder dieses Zucken seiner Mundwinkel.
    »Hier ist es nirgendwo sicher«, sagte sie. »Aber hier kannst du nicht bleiben. Wenn Jibril noch näher kommt, dann -«
    »Der große Sturm?«, keuchte er.
    »Ja. Und er wird nicht darauf achten, ob irgendwer mitten auf dem Weg liegt.«
    »… vor ihm in Acht nehmen… in dir…«, stöhnte er und wollte nach ihrer Hand greifen. Gegen ihren Willen zog sie die Finger aus seiner Reichweite. Ihr verfluchtes Blut. Selbst heute noch hasste sie ihren Vater aus ganzem Herzen, jetzt sogar erst recht, weil er die Schuld trug, dass sie Tarik nicht in den Arm nehmen konnte. Wie eine späte Rache dafür, dass sie Kahramans Auftrag nicht ausgeführt hatte.
    »In mir?«, wiederholte sie verwirrt.
    »Amaryllis?« Er betonte es als Frage, glaubte sie. Und da verstand sie.
    »Nein, in mir ist er nicht.« Sie zögerte kurz. »Das würde ich spüren, oder?«
    Hinter ihr keuchte Ifranji: »In mir… übrigens… auch nicht.«
    Sabatea hatte die Diebin beinahe vergessen. Beschämt fuhr sie herum, und da war sie, blutig, geschwächt, aber wieder auf den Beinen.
    »Du musst mir helfen«, sagte Sabatea. »Ich kann seine Wunden nicht berühren.«
    »Sieht nicht gut aus.«
    Tarik murmelte etwas, aber er schien jetzt nahe an einer Bewusstlosigkeit. Sie wusste nicht, ob das gut war oder schlecht. Wenn er ohnmächtig wurde, dann schien der letzte Schritt zum Sterben gefährlich kurz zu sein. Das würde sie nicht zulassen. Und wenn sie selbst diesen verdammten Thron besteigen und die Welt gesund wünschen musste.
    Ganz kurz spürte sie tatsächlich ein Verlangen, genau das zu tun, und es brachte sie dazu, einen Blick über die Schulter zu werfen.
    Nachtgesichts Wirbelsturm jagte noch immer auf einem irrwitzigen Kurs über die offene Fläche zwischen den Kuppeltrümmern, mal näher, mal weiter vom Knochenthron entfernt. Hoch oben lag etwas wie ein roter Ring um den Trichter, und da begriff sie, dass das Atalis sein musste, eigentlich Qatum, und dass sie so schnell im Kreis gewirbelt wurde, dass es aussah wie ein leuchtendes rundes Band. Nachtgesicht hielt sich den Magier wacker vom Leib, doch angesichts der Zauberkraft Qatums war absehbar, dass es nicht mehr lange gut gehen

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