Sturmkönige 03 - Glutsand
hinaufklettern, mit schmerzverzerrtem Gesicht und blutenden Händen. Sie konnte jetzt nicht mehr von dort herunterkommen, weil sie den Weg kein zweites Mal bewältigen würde. Stattdessen tat sie das einzig Richtige: Sie kletterte weiter, immer höher über die scheußlichen Schneiden und Kanten, dem zerknüllten, verschlungenen Teppich entgegen, der irgendwo dort oben auf dem Trümmerring hing.
Sabatea war auf sich allein gestellt, als sie wütend vorwärtsstürzte und mit einem wilden Tritt versuchte, Maryam zurück in den Splittergraben zu schleudern. Der lebende Leichnam in seinem Kristallkleid aus Scherben wirkte ungelenk und grobschlächtig, aber dieser Eindruck täuschte. Schlangengleich wich Maryam Sabateas wütendem Vorstoß aus, schwang sich über die Kante und kam mit beiden Füßen auf. Sabatea hatte Mühe, sich zu bremsen, als ihr eigener Schwung sie beinahe in den Graben riss. Sie stolperte, schwankte und blieb stehen. Entschlossen wandte sie sich zur Seite. Maryam und sie standen sich nun gegenüber, beide unmittelbar am Rand des Grabens, während weit im Hintergrund Jibrils Wirbelsturm tobte und die Welt jenseits des Grabens in ein wogendes Chaos aus Staub und Glaswolken verwandelte.
Maryam beugte sich leicht vor, ging in eine Angriffsstellung, die fremd an ihr aussah, eine Dschinngeste, die der Narbennarr ihr eingab. Auch in ihren Handflächen steckten Splitter. Wenn sie Sabatea zu fassen bekam, würde sie ihre Haut in Fetzen schneiden.
Tarik zog sich unter Schmerzen herum und begann, langsam auf die beiden Frauen zuzukriechen. Er zog seine Beine hinter sich her, ein loderndes Feuer von den Oberschenkeln abwärts. Aber es war unwichtig geworden, ob er sie je wieder würde benutzen können, weil nichts mehr wirklich wichtig war, nichts außer Sabatea.
»Amaryllis!«, brüllte er.
Maryam drehte den Kopf um eine Winzigkeit, blickte zu ihm herüber. »Stellt euch mir nicht in den Weg!«, fauchte sie durch das scheußliche Splittergebiss. Auch ihr Gesicht war mit Scherben überzogen.
Tarik zog sich Meter um Meter vorwärts, während sich die beiden Frauen lauernd gegenüberstanden. Sabatea sagte etwas zu Maryam, aber er verstand sie nicht, weil bei jeder Bewegung das Blut in seinen Ohren rauschte und sein Schädel zu platzen drohte.
»Sabatea«, rang er sich mühsam ab, nicht sicher, ob irgendwer noch hören konnte, was er sagte. »Er wird dich töten… Amaryllis wird ganz Skarabapur -«
Eine Woge aus Lärm rollte über den Platz im Inneren der Ruine, verschlang alle anderen Laute und Stimmen und ließ den Glasboden und die Trümmerwände um sie herum vibrieren. Die Dschinne, die sich noch über ihnen am Himmel befanden, schwirrten aufgebracht durcheinander, während zugleich ein zweiter Ansturm von Getöse herüberbrandete, diesmal nicht aus dem Inneren des Ruinenrings, sondern von der anderen Seite des Splittergrabens. Aus der Richtung Jibrils.
Tarik sah, dass der gigantische Wirbelsturm zu einem vernichtenden Schlag ausholte. Er rotierte jetzt auf der Stelle, mehrere hundert Meter hoch, und bog sich zurück wie eine Gerte, die jemand nach hinten zieht. Gleich darauf schlug er mit verheerender Gewalt nach vorn. Eine Hundertschaft Dschinne, die noch immer nach einem Weg gesucht hatte, den Sturmreiter im Inneren zu bezwingen, wurde erfasst und verschlungen. Genauso erging es einer Schar Schwarmschrecken, die von dem wütenden Wirbel eingesogen und wieder ausgespien wurde, in alle Richtungen verstreut, die meisten hinab in die gläsernen Ruinen, wo die Wucht des Aufpralls ihre Hornpanzer bersten ließ.
Aber auch in Tariks Rücken geschah etwas; das wurde ihm bewusst, als er den Blick Sabateas auffing, der über ihn hinwegflirrte, hinein ins Innere der Kuppelruine. Maryams glasgespickte Lippen öffneten sich zu einem zornigen Schrei.
Er rollte sich herum, brüllte dabei vor Schmerz – und sah, wie Nachtgesichts Wirbelsturm im Zentrum der freien Fläche in sich zusammensank. Auch Qatum – in Atalis’ totem Mädchenkörper – senkte sich zu Boden, landete vorgebeugt auf den Füßen, schwankte kurz und richtete sich langsam auf.
Nachtgesicht stürzte die letzten Meter aus der Luft und schlug hart auf die Glasfläche, während um ihn ein letzter harmloser Wirbel tanzte und sich wenige Herzschläge später auflöste. Mit einem Mal war da nur noch der leblose Sturmkönig, ausgestreckt am Boden, und neben ihm, ein paar Schritt entfernt, die blutverkrustete Atalis, bebend vor Anstrengung und
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