Sturmkönige 03 - Glutsand
konnte.
»Hier«, sagte Ifranji und schob Tarik den Griff ihres Dolches zwischen die Zähne. »Draufbeißen. Das wird jetzt weh tun.«
Sabatea schenkte ihr einen dankbaren Blick. Ifranji fasste Tarik unter den Achseln und zerrte ihn in den Schutz des Trümmerkranzes. Es waren nur wenige Meter, aber als Tariks Beine über den unebenen Untergrund geschleift wurden, sah er aus, als würde ihn der Schmerz endgültig umbringen. Endlich aber kam er am Fuß der mächtigen Kuppelfundamente zum Liegen, und Sabatea musste erneut dem Drang widerstehen, seinen Kopf in ihrem Schoß zu betten.
Ifranji machte sich daran, Tariks Hosenbeine aufzureißen. Sie fand keine offenen Brüche, nur scheußliche Prellungen und Blutergüsse. Dass die Beine gebrochen waren stand außer Zweifel, aber es gab keine größeren Wunden, die sich infizieren konnten. Sie konnte nur hoffen, dass er sich beim Aufprall keine inneren Verletzungen zugezogen hatte.
Hier gab es nichts, mit dem sie seine Beine hätten schienen können. Wahrscheinlich hatte das ohnehin keinen Zweck mehr. Qatums Triumph über Nachtgesicht war nur eine Frage der Zeit, und dann würde er den Thron besteigen und seinen Plan nach all den Jahren endlich in die Tat umsetzen. Die Magie würde entweichen und gemeinsam mit Qatum in die andere Welt zurückkehren, in die erste Welt, das Original. Und mit dem Entschwinden der Magie würden die Dschinne vergehen, gewiss auch Skarabapur. Aber damit würde es nicht enden. Diese Welt hier, das Innere der Flasche, war durch Magie erschaffen worden und wurde von ihr am Leben erhalten. Wenn dieser Zauber verloren ging, dann würde die Existenz von allem enden, ganz gleich ob Dschinn oder Mensch oder Magier.
Tarik flüsterte etwas. Sie beugte sich vor, um die Worte zu verstehen, aber da schwieg er schon wieder. Ifranji fluchte.
»Den Thron«, stöhnte Tarik. »Den Thron… besteigen.«
Es war der gleiche Gedanke, den sie selbst eben gehabt hatte, aber auch jetzt noch erschien er ihr zu unwirklich, zu vermessen. Bis ihr klar wurde, dass es ihre einzige Chance war.
Tarik hob zitternd eine Hand, zeigte auf etwas.
»Teppich«, murmelte er.
Sie fuhr herum – und tatsächlich, da war ein Teppich. Er hing wie fortgeworfen im oberen Teil des Trümmerkranzes, inmitten schwertlanger Dornen und Scherben aus geborstenem Glas, eigentlich unerreichbar, aber irgendwie, vielleicht… Sie musste es versuchen.
»Das ist unser Teppich!«, entfuhr es Ifranji begeistert. »Der, den Khalis gestohlen hat! Nachtgesichts Sturm muss ihn aus dem Graben hochgeschleudert haben.«
»Ich hole ihn«, entschied Sabatea.
»Nein«, sagte Ifranji. »Das mache ich. Du bleibst bei Tarik.«
Sabatea hatte nicht mehr den Willen zu widersprechen.
Ifranji sprang auf – und erstarrte.
Sie streckte eine blutverkrustete Hand aus, deutete zurück zum Splittergraben.
Jemand kroch aus der Tiefe zu ihnen herauf, besudelt mit Honig, bedeckt mit zahllosen Glasscherben wie mit einer glitzernden, tödlichen Rüstung. Welche Splitter nur am Honig klebten und welche im Fleisch steckten, war nicht zu erkennen. Nur Spitzen und Schneiden, die wie Stacheln eines bizarren Tiers in alle Richtungen wiesen und bei jeder Bewegung knirschend aneinanderrieben.
Amaryllis hatte einen neuen Körper gefunden.
Maryam lächelte. Sogar zwischen ihren Zähnen blitzte Glas.
Splitterpanzer
Tarik hob den Kopf und sah ebenfalls, wer dort aus dem Graben stieg, um in den Kampf um den Knochenthron einzugreifen.
Es hätte einige gegeben, die es mir leichter gemacht hätten, hatte der Narbennarr erst vor wenigen Stunden zu ihm gesagt. Es reist sich ungestört in den Hüllen der Toten.
Amaryllis gab nicht auf. Maryams Leichnam im Honigschrein war eine leichte Beute gewesen.
»Verdammt noch mal«, fauchte Sabatea neben ihm. »Ich hab so die Schnauze voll von ihr.«
Und damit stolperte sie auf die Füße und trat Maryam entgegen.
»Tu das nicht«, stöhnte er und schmeckte das Blut seiner aufgeplatzten Lippen. Sein Zustand war schlimmer, als er wahrhaben wollte, aber in diesem Moment spielte das keine Rolle. »Er wird dich umbringen…«
Sie wird dich umbringen, wäre richtig gewesen, aber er weigerte sich, dieses Ding da vorn als Maryam anzusehen. Sie hatte zu viel durchgemacht, zu viel erleiden müssen, und wenn sie nach alldem eines nicht verdient hatte, dann so zu enden, als entstellte, missbrauchte Sklavin des Narbennarren.
Aus dem Augenwinkel sah er Ifranji katzenhaft die Glastrümmer
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