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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nun, als nutze Atalis sie aus, um hinauf zum Lenker des Sturms zu gelangen – zu Nachtgesicht.
    Der Narbennarr hatte genug gesehen. Er zwang Tarik dazu, sich umzudrehen, den Weg zum Knochenthron fortzusetzen – aber diesmal wehrte sich Tarik mit solcher Kraft dagegen, dass der Fremde in seinen Gedanken wutentbrannt aufbrüllte. Was Tarik antrieb war nicht seine Neugier, auch nicht die Sorge um Nachtgesicht. Es war allein der Anblick Sabateas, von der er sich nicht losreißen konnte, so weit entfernt von ihm, kaum zu sehen durch Wände aus aufgewirbeltem Sand und feinsten Glassplittern. Dennoch meinte er sie noch immer zu erkennen und wollte zu ihr, wollte es mehr als irgendetwas anderes, ganz egal, was mit ihm selbst oder der Welt oder irgendeinem der anderen geschehen mochte. Die gleiche Willenskraft, die den Narbennarren zum Dritten Wunsch zog, trieb Tarik zurück zu ihr.
    Für endlose Sekunden schien es, als wäre er stark genug. Verzweifelte Hoffnung flammte in ihm auf. Sie rangen miteinander, vielleicht zum ersten Mal gleichberechtigt, und Tarik spürte, wie Amaryllis’ Wut und Ungeduld wuchsen, wie er nach Auswegen suchte, nach einem Mittel, um ihn zum Weitergehen zu bewegen.
    Wie durch einen Schleier nahm er die Umgebung wahr, alles schien so fern, während er sich immer stärker auf sein Inneres konzentrierte, in sich selbst hinabtauchte, um den Narbennarren zu packen und aus sich herauszureißen wie ein wucherndes, giftiges Organ, das nicht in seinen Leib gehörte.
    Zugleich erkannte er vage, dass Nachtgesicht die Kontrolle über den Wirbelsturm verlor. Was genau dort oben im Trichter des heulenden Tornados geschah, war vom Boden aus nicht zu sehen. Qatum – auf Atalis’ Körper angewiesen wie der Narbennarr auf Tariks – kreiste noch immer als verwischter roter Fleck durch die Ausläufer des Sturms und versuchte offensichtlich, Nachtgesicht im Inneren mit Hilfe seiner Magie anzugreifen. Warum er ihn nicht zerfetzte wie die Dschinnkrieger, blieb ungewiss; womöglich kostete es ihn so viel Kraft, den mörderischen Mächten des Tornados zu trotzen, dass nicht genug übrig blieb, um dem Sturmkönig beizukommen.
    Trotz allem aber zeigten seine Attacken allmählich Wirkung. Nachtgesicht wurde schwächer. Der Wirbelsturm bewegte sich nicht mehr auf gerader Linie vom Durchbruch im Trümmerkranz in die Richtung des Dritten Wunsches, stand auch nicht mehr still wie während der letzten ein, zwei Minuten. Stattdessen preschte er nun von Neuem los, neigte und schüttelte sich, wand sich wie eine Schlange und jagte in wirrem Zickzack über den weiten Platz in der Kuppelruine wie ein tollwütiger Löwe durch das Innere einer Arena.
    Der Narbennarr erkannte das Verhängnis als Erster, sah es mit Tariks Augen näher kommen, zu spät, um fortzulaufen, zu spät, um irgendetwas zu tun.
    Der Sturm, nunmehr völlig außer Kontrolle, fegte auf sie zu, packte sie mit seinen Ausläufern, riss sie vom Boden, wirbelte sie im Kreis und schleuderte sie gleich darauf mit aller Macht wieder von sich.
     

     

    Sabatea schrie auf, als der Sturm auf Tarik zuraste und ihn erfasste. Sie sah ihn in wogenden Massen aus Sand und Glasstaub verschwinden, aufgesogen von der Wut des irregeleiteten Tornados – und gleich darauf ausgespien, hoch über ihre Köpfe hinweggeworfen, durch den Spalt im Trümmerkranz der einstigen Kuppel, hinaus zum Splittergraben und den Überresten der gläsernen Brücke.
    Als sich der Staub senkte und sie sich unter Schmerzen durch die Bresche schleppte, entdeckte sie ihn unmittelbar vor der Kante, keinen Schritt entfernt von dem tödlichen Graben.
    Er lag mit verdrehten Beinen auf der Seite, blutbeschmiert und schmutzig. Und er lebte. Er bewegte sich.
    Aber da war etwas an diesen Bewegungen, das ihr falsch und grotesk erschien, wie eine Marionette, die von ihrem Puppenspieler Faden um Faden entwirrt und aufgehoben wird, vollkommen unnatürlich, als wäre da gar kein eigenes Leben mehr in ihm, sondern eine Macht, die von außen nach ihm griff und ihn aufrichten wollte, scheiterte, es erneut versuchte.
    Sabatea war keine zehn Meter mehr von ihm entfernt, als er abermals zusammensackte, dabei einen Schmerzensschrei ausstieß und von neuerlichen Zuckungen erschüttert wurde.
    Als sie die letzten Schritte machte, kam er zur Ruhe. Schlagartig bäumte er sich ein letztes Mal auf und sackte zusammen. Seine Beine waren noch immer falsch abgewinkelt, jedes mindestens einmal gebrochen – sie musste kein Arzt oder

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