Sturmkönige 03 - Glutsand
Lenker stöhnend auf das Glas polterte, in die Hocke sank und schwer zur Seite stürzte.
Aber auch Ifranji nutzte ihre Chance. Sie taumelte auf den herrenlosen Teppich zu, grub die Hand ins Muster und ließ ihn aufsteigen. Das Knüpfwerk glitt niedrig über das Glas hinweg und landete neben Nachtgesicht. Ifranji zerrte ihren Bruder über die Fransen hinter sich auf den Teppich, schrie ihn dabei an, verfluchte ihn, doch er hatte nicht mehr die Kraft, ihr zu widersprechen. Als er einigermaßen sicher lag, brachte sie das Knüpfwerk abermals in die Luft, entdeckte die anderen im Durchbruch des Trümmerrings und hielt genau auf sie zu.
»Sie wird uns rammen«, stöhnte Sabatea neben Tarik.
Ifranji glitt heran, noch immer niedrig über dem Boden, während hinter ihr Lichtblitze und dunkelrote Feuersbrünste durch das Innere des gigantischen Wirbelsturms tobten.
Tarik blinzelte dem Teppich mit den Geschwistern entgegen. Sabatea fluchte erneut, wollte Tarik beiseiteziehen und besann sich eines Besseren. Er sah Tränen in ihren Augen. Aber es gab nichts, das er tun, nichts, das er sagen konnte, weil ihm das Sprechen immer schwerer fiel. Als läge der Schmerz seiner gebrochenen Beine wie ein Knebel auf seiner Zunge und verhinderte, dass er auch nur einen weiteren Ton herausbrachte.
Der Teppich sank tiefer, berührte den Boden, verlor an Festigkeit und schlitterte durch knirschenden Glasstaub. Keine zwei Meter vor Tarik und Sabatea blieb das Knüpfwerk liegen. Ifranji hatte Schürfwunden am ganzen Leib, aber sie achtete nicht darauf, fuhr besorgt herum und beugte sich über Nachtgesicht.
»Habt ihr ihn gesehen?«, brachte sie hervor, während sie ihn keuchend auf den Rücken rollte. »Habt ihr gesehen… was er getan hat?«
»Ja«, sagte Sabatea leise. »Das war sehr mutig.«
»Mutig?« Tränen spülten rosige Bahnen über Ifranjis Wangen. »Er… er hat sich fast umgebracht und… und…« Sie verstummte wieder, als ihr Bruder mühsam den Kopf hob, ein Lächeln zustande brachte und dann von Ifranji zu Tarik und Sabatea herübersah. »Sieht nicht gut für uns aus, was?«, flüsterte er heiser. »Irgendwer muss was unternehmen.« Und dabei blickte er Tarik an, der genau wusste, was er meinte, allerdings nicht sicher war, ob er dazu noch in der Lage war. Aber Ifranji wäre nicht die Richtige dafür gewesen, Nachtgesicht zu entkräftet und Sabatea… nun, er wollte Sabatea nicht gehen lassen. Er musste es selbst tun.
Nachtgesicht ignorierte Ifranjis Proteste, als er sich mühsam vom Teppich zog. Sie rutschte ihm auf den Knien hinterher aufs Glas, wo sie hilflos seine Wunden mit einem schmutzigen Ärmel betupfte und unablässig auf ihn einredete.
Tarik kreuzte Sabateas Blick. Sie musste ihm ansehen, was er dachte, denn sie sagte: »Ich gehe.«
Er gab keine Antwort, verwandte stattdessen alle Kraft darauf, sich die zwei Meter bis zum Teppich zu ziehen.
Sabatea protestierte, aber sie konnte ihn nicht festhalten, ohne ihn zu vergiften, und dann lag er auch schon halb auf dem Knüpfwerk, stieß eine Hand hinein und klammerte sich an das Muster, während er den Rest seines Körpers unter rasender Pein über die Fransen schob.
Sabatea sprang neben ihn auf den Teppich.
»Ich mach das allein«, sagte er mühsam, während er auf dem Bauch zum Liegen kam, jetzt der Länge nach ausgestreckt, die Linke tief im Muster versenkt.
»Nein«, widersprach sie entschieden. »Wenn überhaupt, dann gehen wir zusammen.«
»Bleib du bei den beiden.«
Sie schüttelte den Kopf, rückte sich neben seinen Beinen auf dem Teppich zurecht, immer bemüht, ihn nicht zu berühren.
Sie würde nicht freiwillig absteigen, das war ihm klar, und er wollte sie dabeihaben, wollte es wirklich. Ohne auf Ifranjis Proteste zu achten, ließ er den Teppich aufsteigen, stemmte dabei mit dem rechten Ellbogen den Oberkörper hoch und blickte voraus über die Kante des Knüpfwerks.
Das Muster rebellierte, aber das meiste Blut an seinen Fingern war getrocknet und verursachte keine ernsthaften Schwierigkeiten. Die Welle, die der Teppich gleich darauf schlug, mochte wie ein unkontrolliertes Zucken erscheinen, wie etwas, das er nicht hatte verhindern können. Zugleich blickte er über die Schulter, sah in Sabateas weißgraue Augen, erkannte das Begreifen darin – dann verlor sie auch schon ihren Halt, rief seinen Namen, so zornig wie verzweifelt, und rutschte über die Kante des Teppichs hinweg. Sie befanden sich kaum einen Meter über dem Boden, als sie
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