Sturmkönige 03 - Glutsand
auf die Erhebungen zu. Selbst so früh am Morgen warfen die schrundigen Hügel keine nennenswerten Schatten. Es waren nur magere Ausläufer von Felsadern, die wie Wurzelstränge aus den höheren Bergen am westlichen Horizont gewachsen und von Wind und Wetter erodiert worden waren. Risse und Kerben in der Oberfläche waren eng und nicht besonders tief.
Besser jedoch als gar kein Versteck, wenn erst die Dschinne hier waren.
Tarik deutete auf einen Spalt, der sich wie eine Axtwunde quer durch einen der Steinbuckel zog. An der breitesten und tiefsten Stelle, ziemlich genau in der Mitte der Erhebung, bot er genug Platz für die Teppiche, ohne dass sie damit am Grund der Spalte landen mussten.
Bald darauf schwebten sie in einer Reihe nebeneinander über dem Geröll am Boden der Kluft, gerade tief genug, dass sie noch über den Rand blicken konnten. Der erste Donner rollte über die Ebene und kam lange vor den Dschinnen bei ihnen an. Blitze verästelten sich über die gesamte Breite des Horizonts, die Wolken wanderten auf glühenden Spinnenbeinen über das Land.
»Kontrollieren die Dschinne das Gewitter?«, fragte Sabatea. »Sieht aus, als zögen sie es hinter sich her.«
»Vielleicht nur ein Zufall«, murmelte Khalis, der tiefer als die anderen zwischen den geborstenen Steinwänden abtauchen musste, damit der Honigschrein nicht oben aus dem Spalt ragte. Zu seinem sichtlichen Verdruss war er der Einzige, der nicht über die Kante schauen konnte.
»Falls es ein Zufall ist, dann jedenfalls ein sonderbarer«, sagte Nachtgesicht. »Unwetter sind hier draußen nicht gerade alltäglich.«
Tarik bemühte sich, mehr zu erkennen. Noch zwei, drei Kilometer, schätzte er. Nun sah auch er den Umriss in der Mitte der wogenden Dschinnschwärme. Es war tatsächlich eine Art Scholle, unregelmäßig geformt, als hätte man sie mit Urgewalt aus dem Erdboden gebrochen. Nur dass sie nicht aus Fels bestand, wie die anderen erst vermutet hatten.
»Es glüht!«, entfuhr es Ifranji.
»Nein«, widersprach Sabatea. »Von oben fällt Licht hindurch. Schaut genau hin. Man kann die Umrisse von dem erkennen, was sich auf der Oberseite befindet.«
Zu seinem Verdruss sah Tarik mit seinem einen Auge nichts dergleichen, aber Nachtgesicht stimmte ihr zu: »Wie Kristall. Oder… Glas?«
»Woher haben die das?«, fragte Ifranji. »Und warum fliegt es?«
»Manch einer mag das vielleicht wissen wollen, wenn er deinen Teppich sieht«, sagte Khalis trocken.
»Aber Teppiche können fliegen«, konterte die Diebin stirnrunzelnd. »Glas nicht.«
»Geht tiefer«, kommandierte Almarik und senkte als Erster sein Knüpfwerk weiter hinab zum Grund des Spalts. Viel Spielraum blieb ihnen nicht; der Riss maß an der tiefsten Stelle keine drei Meter.
Unmittelbar über dem Geröll am Boden warteten sie ab und blickten nervös hinauf zu dem blauen Himmelsstreifen zwischen den Felskanten. Ein Raunen näherte sich, wurde lauter – die Stimmen zahlloser Dschinnhauptleute, die ihren fliegenden Schwadronen Befehle zubrüllten.
Tarik hätte gern Sabatea umarmt, aber er wagte nicht, die Hand aus dem Muster zu nehmen, für den Fall, dass sie entdeckt würden. Seine freie rechte Hand suchte ihre und zog sie fest an seinen Oberkörper. Sie presste sich von hinten an ihn, er spürte ihren schnellen Atem. Er musste sich gegen die Erinnerung an die Hängenden Städte wehren, gegen die Bilder der Sklavenpferche, die höhnischen Fratzen der Dschinne. Es fiel ihm schwer, das alles zu verdrängen, während er sich ganz auf den Ausschnitt des Himmels über ihnen konzentrierte.
Das vielstimmige Raunen kam näher. Dann glitten die ersten vereinzelten Punkte in sein Blickfeld, Späher der Dschinne am Rand des Heerzuges. Offenbar waren Tarik und die anderen nicht weit genug nach Westen ausgewichen. Die Dschinnarmee würde genau über sie hinwegfliegen.
Die Punkte verdichteten sich zu einem Wimmeln, als die vorderen Schwärme über die Felsbuckel schwebten. Von unten aus waren kaum die Umrisse der einzelnen Krieger zu erkennen. Immerhin erhöhte das die Chancen, dass sie umgekehrt auch die sechs Menschen in ihrem Versteck nicht entdecken würden. Es sei denn, einige der tiefer fliegenden Dschinne nahmen ihre Witterung auf.
Es wurde schlagartig düster am Boden des Felsspalts, als sich der Rand der gigantischen Scholle über den Lichtstreifen schob und den Himmel verdrängte. Sie mochte siebzig, achtzig Meter über dem Boden schweben, genauer ließ sich das aus diesem Blickwinkel
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