Sturmkönige 03 - Glutsand
duldete keinen Widerspruch.
»Lasst uns allein.«
»Du bist also gekommen, um diesen Jibril zu befreien«, stellte der Großwesir fest, nachdem sich die murrenden Befehlshaber zurückgezogen und Junis seinen Bericht beendet hatte.
»Ich will es versuchen.«
»Jahrelang habe ich mich darum bemüht, mit den Sturmkönigen Gespräche zu führen«, sagte Faruk. »Sie hätten mit uns gemeinsam kämpfen sollen, statt dort draußen im Niemandsland ihren eigenen schäbigen Krieg zu führen. Es gab nicht viele, die dafür waren, ihnen ihre… Vergehen nachzusehen und sich stattdessen mit ihnen zu verbünden. Ich war einer von denen, die es ein ums andere Mal versucht haben.« Er seufzte leise. »Ich habe auch diese Frau gekannt. Maryam. Ich habe mit ihr in einem Zelt gesessen, irgendwo in dieser verdammten Wüste, und versucht, sie durch die besseren Argumente auf unsere Seite zu ziehen.«
Junis nickte wissend. »Natürlich hat sie sich nicht darauf eingelassen.« Maryam war nicht vor Samarkands Befehlshabern geflohen, um sich später, nachdem sie ihre Freiheit bei den Sturmkönigen gefunden hatte, den Herrschern von Bagdad zu unterwerfen.
Faruk runzelte die Stirn, als außerhalb der Mauer ein Hornsignal ertönte. Offenbar kein Alarm. Er konzentrierte sich gleich wieder auf Junis.
»Sie hat mich beschimpft und verunglimpft«, sagte der Wesir mit mildem Lächeln.
Junis kämpfte gegen seine Trauer an. Er konnte noch nicht mit diesem Fremden über Maryam sprechen. Die Erinnerung an sie war so greifbar, dass ihr Verlust ihm die Kehle zuschnürte.
Faruk schien es nicht zu bemerken. »Dann hat sie mich aus dem Zelt geworfen wie einen Steuereintreiber.«
»Das war… ihre Art«, sagte Junis heiser.
»Ja.« Der Großwesir ging in der Kammer einige Schritte auf und ab. »Ich habe sie verstanden, in gewisser Weise. Ich wusste eine Menge mehr über sie und ihre Leute, als sie geahnt hat.«
»Ihr hattet Spione da draußen? In den Lagern der Sturmkönige?«
»Selbstverständlich.«
»Dann habt Ihr von Anfang an gewusst, dass ich über Jibril die Wahrheit sage.«
»Nur deshalb stehe ich noch hier und rede mit dir.«
»Wisst Ihr, was sie gemeint hat? Als sie gesagt hat, Jibril könne uns alle retten – was hatte das zu bedeuten?«
»Ich hatte gehofft, du könntest mir das sagen.«
Junis atmete enttäuscht aus. »Nein.«
»Und trotzdem bist du bereit, dafür zu sterben?« Faruk verzog einen Mundwinkel. »Da hat jemand offenbar großen Eindruck hinterlassen. «
»Ich -«, begann Junis, aber der Wesir fiel ihm ins Wort.
»Schon gut. Vergiss das.« Faruk blieb vor einer Schießscharte stehen. »Es gibt tatsächlich einen Weg in das Lager der Dschinne. In Kürze wird ein Trupp meiner Männer aufbrechen, um dort einzudringen und so viele ihrer Fürsten zu töten wie nur möglich.«
»Aber das ist -«
»Irrsinn? Natürlich. Glaube ich, dass sie Erfolg haben werden? Nicht im Geringsten. Aber es ist etwas, das wir versuchen können. Nützen wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nichts. Aber diese Männer wissen, dass hier auf den Mauern nur der Tod auf sie wartet. Sie werden alle sterben, so oder so. Genau wie dieser alte Narr Khalis und dein Bruder, der Schmuggler.« Er lächelte bitter. »In einer Lage wie der unseren gewinnen solch tollkühne Unternehmungen beträchtlich an Reiz.«
»Lasst mich mit ihnen gehen!«
Der Großwesir schwieg einen Moment und musterte Junis mit forschendem Blick. »Sicher hat sie es dir nicht leicht gemacht, sich in sie zu verlieben.«
»Sie hat es niemandem leicht gemacht. In allem, was sie getan hat.«
»Ich hatte wohl Unrecht«, sagte Faruk. »Mit Heldentum hat das alles nichts zu tun. Aber auch das wird sie nicht wieder lebendig machen.«
Junis sah Maryams Leichnam im Honigschrein vor sich, Auge in Auge mit der toten Atalis.
»Du wirst sie wiedersehen«, sagte der Wesir, »so oder so.«
»Nein«, flüsterte Junis, »ich glaube nicht.«
Im Untergrund
Hitze wehte ihnen aus den unterirdischen Tempelkatakomben entgegen. Der Gestank des Schlamms und die schwefeligen Dämpfe, die aus dem Erdinneren aufgestiegen waren, raubten Junis und den anderen Männern den Atem.
Mit ihren Teppichen hatten sie sich rund um eine Öffnung im Boden versammelt. Sonderbare Laute drangen aus der Tiefe empor. Manche hätten Stimmen sein können. Aber dort unten war mit Sicherheit niemand mehr am Leben.
Sie waren zu elft. Zehn der besten Krieger der Falkengarde – und Junis, der als
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